Montag, 22. Oktober 2018

Premiere des neuen Programms von Valer Sabadus: Caro Gemello in Neuss und Köln

Am 11.10.2018 feierte das neue Programm des Countertenors Valer Sabadus seine Premiere in Neuss. Auch das zuvor eingespielte und offizell erst am 12.10. releaste neue Album zu diesem Programm war in Neuss zu haben.

Zweieinhalb Tage später, am Nachmittag des 14.10. war das Programm auch am neuen Wohnort Valers in Köln, in der städtischen Philharmonie, zu erleben.

Mit seinem Programm mündet Sabadus in ruhigere Fahrwasser ein, was natürlich auch der Programmkonzeption geschuldet ist. Zwar widmet sich das Programm einem der größten Kastraten aller Zeiten - Carlo Broschi (* 24. Januar 1705 in Andria/Königreich Neapel; † 16. September 1782 in Bologna), besser bekannt unter seinem Bühnennamen Farinelli. Allein: es ist kein typisches Farinelli-Programm, das dessen Bravour-Arien, das die Meisterschaft seiner Stimme über 3,5 Oktaven nachzuzeichnen versucht, sondern es widmet sich einem ganz besonderen Aspekt: des Kastraten lebenslanger freundschaftlicher Verbundenheit mit einem der bedeutendsten Libretto-Schreiber des Zeitalters der Barockoper - Pietro Metastasio.

Dass die Bühnenpremiere der beiden zusammenfiel, ist wohl nur ein Zufall gewesen, allein entwickelte sich daraus ein Kontakt, der - zumindest in Briefen - sehr lange anhielt und auch eine gewisse Intimität erzeugte, die in der gegenseitigen Anrede "Verehrter Zwilling" - "Caro gemello" gipfelte, wie auch das Programm überschrieben ist.

Von diesem ersten Zusammentreffen der beiden, des 15-jährigen Sängers Farinelli, der unter dem Dirigat seines Lehrmeisters und größten Gesangslehrers damals - Nicola Porpora - zeugten im Programm zwei Arien aus "Angelica e Medoro". Der Text der Serenata, die anlässlich des Geburtstages der österreichischen Kaiserin Elisabeth Christine 1720 in Neapel von Porpora vertont wurde, stammte von dem nunmehr Anfang 20-jährigen Metastasio und er feierte damit sein Bühnenjubiläum. Im Dienste des habsburgischen Kaisers sollte er noch unzählige und von allen großen Komponisten der Zeit - zueweilen über 100 Mal pro Stück - vertonte Stücke schreiben.

Auch 2 richtige Highlights des Programms stammen aus einer Oper, die Porpora auf ein Libretto von Metastasio schuf: "Polifemo". Die Porporasche Fassung feierte im Februar 1735 Premiere am Londoner King's Theatre. Die Arie "Alto Giove" aus dem Stück "Polifemo" hat inzwischen eine gewisse Bekanntheit erreicht, da auch andere Sänger sie schon gesungen haben; u.a. wurde sie geradezu eine der Koffer-Arien und regelmäßigen Zugaben Philippe Jarousskys. Das hängt die Latte für "Nachahmer", also Sänger, die mit der gleichen Arie punkten wollen, natürlich nach oben. Dennoch kann man mit Fug und Recht sagen: Mit seiner Interpretation desselben Stücks setzt Valer Sabadus neue Maßstäbe, entdeckt Feinheiten bzw. installiert Figurationen, auf die Jaroussky seinerzeit nicht gekommen ist. Glückwunsch also dazu!

Die im Vergleich zu den auch sonst eher ruhigeren Arien, die in dem Programm zu Gehör gelangten, richtig belebte zweite Arie aus "Polifemo" - "Senti il fato" - war seinerzeit das erste Mal auf der CD "Sopranos Y Castrati En El Londres De Farinelli" aus dem Munde der Sopranistin Olalla Alemán zu hören. Diese Einspielung von 2007 ist geradezu lyrisch im Vergleich zu dem Feuerwerk, das Sabadus entzündet.

2015 bereits hatte Sabadus sich mit dem Orchester Concerto Köln schon einmal Farinelli gewidmet. Mit diesem Ausnahmekonzert, das einen völlig geschafften, aber brillierenden Counter in mehreren halsbrecherischen Arien zeigte, darunter auch in einer, die 15 Minuten lang war!, kommt das neue Programm leider nicht mit. Auch war das Concerto bei den beiden besuchten Konzerten nicht so spritzig und nahegehend, wie es zuweilen sein kann. Dennoch waren beide Konzertabende sehr schön - und gut besucht. In Neuss war das Publikum, wie leider öfter am Rhein, etwas reserviert, aber in Köln gab es mehrere laut jubelnde Applaussalven während des Konzertes, die auch zu immerhin drei Zugaben in Köln führten, darunter auch einen Vorgeschmack auf ein Wiederhören mit Valer am Rhein - in der Deutschen Oper in Düsseldorf im Januar des nächsten Jahres als Titelheld in der Wiederaufnahme des "Xerxes" (bzw. "Serse") von Händel in der großenteils deutschsprachigen, hochgradig witzigen und farbenprächtigen Inszenierung brachten.

Was gab Valer zum Besten: natürlich die zwei Highlights unter den Arien des Xerxes - erst die feurige Arie über die grausamen (und grauenhaften) Furien, die aus "entsetzlichen Abgründen" Xerxes mit schwarzem Gift ruhig überschütten mögen, er würde nicht ablassen, - "Crude furie degli orridi abissi" und als Schlussstrich das bekannteste Händelstück, Xerxes Liebeslied an eine Platane, die einen Schatten spendet, wie es sonst keine tut - "Ombra mai fu".

In Köln gab es nach dem Konzert noch eine Autogrammstunde, bei der auch das unten stehende Foto entstand. Danke für die Grüße, Valer!