Montag, 9. Juli 2018

Händel-Festspiele Halle 2018 Opern 5: Mit "Muzio Scevola" bringen die Händel-Festspiele in Halle eine wahre Rarität auf die Bühne


Händelfestspiele Halle 2018

Muzio Scevola HWV 13
(Deutsche Erstaufführung)

Opern-Pasticcio von F. Amadei, G. Bononcini und G. F. Händel
Erste szenische Wiederaufnahme seit dem 18. Jahrhundert

Solisten:
Alexis Vassiliev (Muzio Scevola),
Markéta Cukrová (Clelia),
Michaela Šrůmová (Orazio),
Lucia Knoteková (Fidalma),
Marta Fadljevičová (Lucio Tarquinio),
Sylva Čmugrová (Irene),
Roman Hoza (Porsena)

Musica Florea
Hartig Ensemble – Tänze und Ballette aus drei Jahrhunderten
Musikalische Leitung: Marek Štryncl
Regie: Laurent Charoy
Choreografie: Helena Kazárová
Bühne: Václav Krajc
Kostüme: Roman Šolc

Aufführung in italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln

Samstag 09.06.2018 14:30 Goethe-Theater Bad Lauchstädt

Die Headline sagt es schon: „Muzio Scevola“ ist eine wahre Rarität. Nicht nur wird es nie auf einer Bühne gespielt, nein, bislang existierte auch nicht einmal eine Gesamteinspielung. Was es bisher gibt, ist eine Einspielung des 3. Aktes – und auch diese Einspielung ist nicht vollständig. Der unbedarfte Leser fragt sich: wie kommt man drauf, nur einen dritten und letzten Akt einer Oper einzuspielen? Sind von den anderen Akten die Noten verlorengegangen?

Nein, das ist mitnichten so, sondern hat lediglich damit zu tun, dass nur die Händel-Pflege sich mit „Muzio Scevola“ beschäftigt hat und Händel hat von dieser Oper nur den 3. Akt geschrieben. Die anderen beiden Akte stammen von 2 anderen Komponisten. Akt 1 von einem darüber hinaus nie weiter in Erscheinung getretenen Filippo Amadei, genannt „Pippo“, den ersten Violoncellisten des Orchesters der Royal Academy, der zweite von dem v.a. wegen seiner Instrumentalmusik bekannten Giovanni Battista Bononcini, der aber in London als ebenso bestellter Komponist zunächst Händels Kollege – oder Rivale – an der Royal Academy of Music war.

2018 also gab es – nach einer gekürzten Aufführung 1977 in Oxford – endlich einmal wieder den ganzen „Muzio Scevola“ zu hören – und dazu noch in einer Aufführung zu sehen. Produziert wurde die Oper von einem durchweg tschechischen Ensemble.

Die Aufführung zählt zu den sogenannten historischen oder historisch informierten Inszenierungen. Das heißt, das nicht nur die Kostüme historisierend sind, sondern in diesem Falle auch das Bühnenbild sowie die gesamte Choreografie inklusive eigens angestellter Tänzer, die Barocktanz können, für die Tanzeinlagen, aber auch die gesamten Bewegungsabläufe.

Die Aufführung war auch rundweg sehenswert, auch wenn man – wie immer – im Goethe-Theater in Bad Lauchstädt sich mal wieder wegschwitzte. Es kann vorher kühl und verregnet sein, zum Händelfestival ist es immer eine Bullenhitze draußen wie drinnen – und in einem historischen Theater gibt es ja natürlich keine Genehmigung für eine Klimaanlage.

Musikalisch ging es durch die Akte immer weiter voran und wurde von Akt zu Akt immer besser. Das ist wirklich das Besondere und möglicherweise Begeisterungswürdige an „Muzio Scevola“, man hat mehrere Versuche barocke Opern zu komponieren quasi in einer und somit den direkten Vergleich. Und dieser fällt – wohl nicht nur für Händelfans, wie sie zu einem Händel-Festival allen voran zu erwarten sind – deutlich zugunsten Händels aus. Der erste Akt ist im Vergleich zu dem, was nach der Pause losgeht, geradezu einfalls- und ereignislos, und auch der zweite Akt ist noch nicht die große Erfüllung.

Warum man aber nun just am 3. und musikalisch ereignis- und einfallsreichsten Akt Kürzungen vorgenommen hat, ist nicht ganz zu erschließen. Es wäre hier eher unterhaltsamer gewesen, am ersten Akt Diverses zu streichen.

Aber so ist das nun mal im Leben, was dem Einen gefällt, ist für den Anderen genau das Falsche, man kann es nicht allen recht machen.

Optisch gesehen war die Produktion ein Genuss, musikalisch ganz ok, das große akustische Ereignis indes blieb definitiv aus. Was einerseits an der Musik selbst liegt/lag, andererseits aber auch an den Sängern und Sängerinnen, die leider nicht zu den Besten zählen. Das die Ohren wohl am meisten Anstrengende war der den Titelhelden singende Countertenor, sich durch seine Beiträge und noch mehr Arien zu hören grenzte nicht selten an eine Qual.

Es ist schade, wenn eine solche sicher lohnende Produktion nicht rundum gut werden kann, aber dafür ist vielleicht das überhaupt barock singen und tanzen könnende Personal in Tschechien zu überschaubar und man hat nicht versucht, ausländisches Personal mit einzubinden.

Dennoch ist dem Händel-Festival zu danken und zu gratulieren, dass es ihm immer wieder gelingt, so selten zu Hörendes auf die Bühne zu bringen.








Bilder (c) Stiftung Händel-Haus Halle


Sonntag, 8. Juli 2018

Händel-Festspiele Halle 2018 Solistenkonzerte 3 - Julia Lezhneva verschmilzt mit La Voce Strumentale und Dmitry Sinkovsky zu etwas Einmaligem!


Händelfestspiele Halle 2018

Festkonzert mit
Julia Lezhneva und La Voce Strumentale

Werke von G. Ph. Telemann, C. H. Graun, A. Vivaldi, A. Corelli und G. F. Händel

Solistin: Julia Lezhneva (Sopran)
La Voce Strumentale
Musikalische Leitung: Dmitry Sinkovsky

Mit freundlicher Unterstützung der KATHI Rainer Thiele GmbH
Mittwoch, 06. Juni 2018 19:30 Konzerthalle Ulrichskirche

„Kleine Frau – ganz groß“ hat man was Julia Lezhneva vollbringt schon kurz zusammengefasst, aber meist wird sie doch die „Nachtigall von St. Petersburg“ genannt. Und ganz sicher: beides ist richtig. Was diese Frau aus ihrem nicht gerade üppigen Brustkorb zaubert ist kaum in Worte zu fassen. Der Zuhörer ist verzaubert und starrt so atemlos, wie es die Sängerin bei ihren lang ausholenden Koloraturen, die sie AUS EINEM ATEMZUG heraus singt, eigentlich sein müsste.

Das erste Mal beeindruckt hat sie noch im fernen St. Petersburg in einem großen Wintergarten oder Gewächshaus, was man sich immer wieder gern anschaut. Und sie hat sich gleich in jungen Jahren das richtig große, richtig schwierige Repertoire rausgesucht – wie hier die Arie „Son Qual nave ch'agitat'“ Riccardo Broschi, dem Bruder desgroßen Kastraten Farinelli, diesem in die Kehle geschrieben.

Inzwischen ist Lezhneva unter den ganz Großen der Barockmusik angekommen, ist regelmäßig Starsolistin in Prachtproduktionen aus dem Hause Cencic (Parnassus Arts), wie jüngst in „Siroe“ des langjährigen Dresdner Hofkomponisten Johann Adolph Hasse am Hofe des Sächsischen Kurfürsten und Königs August III. von Polen, wovon man sich hier einen Eindruck verschaffen kann.

Auch hat sie inzwischen einen Exklusivvertrag beim immer noch führenden Klassiklabel - Universal Music bzw. dessen Tochter Decca. Hier hat sie zuletzt mit einem ersten Händel-Album regelrecht für Furore gesorgt. Von dem gab es auch an diesem Abend in Halle zu hören, natürlich, schließlich sang sie bei den Händel-Festspielen. 

Aber natürlich durfte auch Musik des Lieblings- und Hofkomponisten Friedrich des Großen von Preußen - Carl Heinrich Graun - , dem Lezhneva ihr vorletztes Soloalbum gewidmet hatte, nicht fehlen. In feuriger Wut warf die kleine Frau aus in Rage geratener Liebhaber Postumio dem römischen Tyrannen Silla (in der gleichnamigen Oper von 1753) wahre Giftpfeile entgegen, er solle es nicht wagen, ihm seine geliebte Oktavia wegzuschnappen.

Auch in Halle tat Julia Michailowna Leschnewa, wie sie mit vollständigem Namen und in deutscher Transkription heißt, schon, auch im Solokonzert. Doch was sich diesmal in der Konzerthalle Ulrichskirche tat war einfach einmalig und wirklich phänomenal. 

Natürlich: ein großer Künstler braucht auch ein gutes Orchester, damit am Ende was Großes rauskommt. Die große Simone Kermes kann inzwischen ein Lied davon singen, wie sehr man ohne ebenso meisterliche Unterstützung aus den Instrumentalreihen baden geht.

Aber auch wenn das Orchester Klasse ist, heißt das noch nicht, dass man harmoniert. Auch machen Künstler manchmal den Eindruck, als seien sie diesmal und gerade erst eingeflogen, um mit diesem Orchester was zu vollbringen. Das Ergebnis ist trotzdem nicht schlecht, denn Klasse setzt sich durch.

Eine neue Stufe von Harmonie und Orchester indes bot sich den Zuschauern und Zuhörern in Halle: als ob La Voce Strumentale und Julia Lezhneva EINS wären. Da ist nicht nur Harmonie, da ist Ineinanderaufgehen, blindes dem Anderen Vertrauen, eine förmliche Verschmelzung zweier ganz großer, von ihrer Musik und ihrer Mission, diese unters Volk zu bringen, erfüllten Künstlerkörper. Und was da herauskommt, kann man sich sicher vorstellen. Kurzum: es war das, was man üblicherweise von Lezhneva schon Erstklassiges hört, potenziert in der (mindestens) dritten Potenz.

Beschreiben kann man das fast nicht, man muss es erleben. Sehen und hören. Da kann man nur hin und weg sein. Der Rezensent ist es ganz sicher. Noch immer!

Ein Höhepunkt des Abends war dann ganz sicher noch, dass der maravillöse Geiger und Leiter des Ensembles "La Voce Strumentale" - Dmitry Sinkovsky - auch noch in hohe Countertenor-Höhen aufsteigt und mit Lezhneva ins Duett einsteigt. Die beiden verstehen sich blind - und das Orchester schmiegt sich diesem einen, vereinten Körper geschmeidig an. 

Der Wahnsinn!

Einen längeren Mitschnitt gibt es noch nicht, das das wird hoffentlich bald nachgeholt. Hier ein paar Einblicke

https://www.youtube.com/watch?v=ovo803YWM3M
Julia Lezhneva & La Voce Strumentale in Budapest 10.April 2016

https://www.youtube.com/watch?v=LfASzaSyjbk


Wo holt sie ihre Stimmgewalt nur her? Die Nachtigall aus St. Petersburg macht ihrem Namen alle Ehre - und bringt den Saal, hier die Konzerthalle Ulrichskirche in Halle zum Toben





Auch im Bild kann man einen Anflug der absoluten Harmonie erkennen, aber man muss es hören, wie hier Orchester, Counter und Sopran zu etwas ganz Großem, Einmaligem verschmelzen


Bilder (c) Stiftung Händel-Haus Halle







Händel-Festspiele Halle 2018 Opern 4: In einer konzertanten Aufführung bringt Christophe Rousset erstmalig die zweite Fassung des "Rinaldo" von 1731 zu Gehör und Sandrine Piau den Saal zum Toben


Händelfestspiele Halle 2018

Georg Friedrich Händel
Rinaldo HWV 7b
(2. Fassung der Wiederaufnahme 1731, 20 Jahre nach der Erstaufführung 1711)

Solisten:
Jason Bridges (Goffredo),
Sandrine Piau (Almirena),
Xavier Sabata (Rinaldo),
Christopher Lowrey (Argante),
Eve-Maud Hubeaux (Armida),
Tomislav Lavoie (Mago) u. a.

Kammerorchester Basel
Musikalische Leitung: Christophe Rousset

Erstaufführung der Fassung von 1731 nach der Hallischen Händel-Ausgabe

„Rinaldo“ ist die erste Oper, mit der Händel nach seiner Ankunft in London Leute für die italienische Oper zu begeistern sollte. Und seine bewegende und mit fulminanter Musik untermalte Geschichte um den umworbenen, aber treuen und verliebten Rasenden Ritter Roland wurde 1711 ein großer Publikumserfolg. Schon in der ersten Saison 1711 erreichte die Oper 15 Aufführungen – eine Zahl, die später nur selten erreicht wurde - und wurde in den drei folgenden Spielzeiten (1712, 1713, 1714) erneut aufgeführt. 1717 kam eine Wiederauflage, diesmal mit kleineren Bearbeitungen und einzelnen Änderungen der Stimmlagen entsprechend des zur Verfügung stehenden Personals, auf die Bühne.

20 Jahre später, 1731, kramte Händel diesen erste Erfolgsoper wieder hervor, überarbeitete sie und brachte sie in seiner zweiten Opernakademie erneut auf die Bühne.

Es ist natürlich immer ein Risiko, wenn man einen Hit wiederauflegt: einerseits gibt es noch Leute, die sich an das Original erinnern und zumeist gerade dieses mochten, andererseits ändert sich der Geschmack und verfügbare Künstler, sodass Umarbeitungen vielleicht angezeigt sind.

Auch gibt es im Original der Oper einige Akzente, die im Libretto schon zauberhaft sind, sich aber nur schwer umsetzen lassen, um so mehr, wenn man den Aufwand auch reduzieren will und nicht wie beim ersten Mal aus dem Vollen schöpft und neben Streitwagen, feuerspeienden Drachen und Flugmaschinen auch lebende Sperlinge einsetzt, um die wundervolle Arie "Augelletti, che cantate" der in den Titelhelden verliebten Almirena zu umrahmen.

Die „Urfassung“ des Rinaldo ist bis heute bekannt und einer der Dauerbrenner des Händel-Repertoires auf deutschen und internationalen Bühnen. Was – in Anbetracht der vielen richtigen Hits – natürlich auch nicht verwundert.

In Halle 2018 gab es nun die erste neuzeitliche Aufführung der zweiten, stark veränderten Wiederaufnahme von 1731 nach der Hallischen Händelausgabe, die bei Bärenreiter erscheint. Die Aufgabe, diese Referenzaufführung zu übernehmen, nahm das Kammerorchester Basel auf sich, diesmal unter einem zwar sehr bekannten, aber üblicherweise mit seinem eigenen Orchester auftretenden Christophe Rousset.

Um es gleich vorwegzunehmen: die wesentlichsten Hits des ersten Rinaldo sind alle noch da und in ihrer Gestaltung nicht wirklich verändert, auch wenn sie teilweise von anderen Handelnden in der Oper gesungen werden oder z.B. diese Handelnden nun plötzlich nicht mehr hoch, sondern tief singen usw. So wurde aus Goffredo, dem Vater der vom Titelhelden geliebten Almirena, statt eines Kastraten ein Tenor, während aus dem ursprünglichen Bass Argante (der „böse“, den Kreuzrittern gegenüberstehende König von Jerusalem) ein Altkastrat wurde. Die wunderbare Rolle der Armida, der bösen Zauberin, die dem König von Jerusalem beisteht, dann aber dem Titelhelden verfällt, wurde von Sopran zu Alt bzw. Contralto und damit deutlich nach unten transponiert, in der Aufführung in Halle von einer Mezzosopranistin gesungen.

Unter den GesangssolistInnen des Abends stach für die gesamte Händel-Halle eine Künstlerin hervor: Sopranistin Sandrine Piau, die nicht zum ersten Mal beim Händelfestival eingeladen war. Sie sang die Rolle der Almirena und verführte damit das gesamte Publikum. Von ihrer ersten Arie „Augelletti, che cantate“ (Ihr kleinen Vögelchen, die ihr singt) war oben schon die Rede, es war just die, zu der im Theater am Haymarket auch reale Vögelchen aufflogen, die sich dann im gesamten Theater verteilten und nicht wieder vertreiben ließen. Die Arie ist ein Meisterwerk, aber es bedarf auch einer Meister-Stimme, um damit das Publikum zu umschwirren und „sanfte Winde“ um deren Ohren wehen zu lassen (wie es in der Arie weiter geht). Nun: Piau kann das und wurde drum frenetisch gefeiert, wann immer sie an der Reihe war. Um einen Eindruck von Piaus einzigartiger Gesangskunst zu bekommen, höre man sie hier als Armida (nichtAlmirena) mit ihrer „Furie terribili“-Interpretation. Allein diese Arie genügt, dass man beeindruckt und erfüllt aus einer Aufführung des „Rinaldo“ geht.

Und hier singt sie noch einen weiteren „Hit“ aus Rinaldo: mit derwohl bekanntesten Klagearie „Lascia ch‘io pianga“ wendet sichAlmirena an den sie gefangen haltenden Argante, ihre verlorene Freiheit beweinen zu dürfen, um dadurch Erbarmen und ihre Freilassung zu erwirken.


Auch der den Titelhelden intonierende Xavier Sabata ist weder in der Barockszene noch in Halle ein Unbekannter. Zuletzt war er mit seinem Programm über „Bad Guys“ in der Barockoper zu hören. Definitiv gehört er zu den guten Countertenören, aber auch bei ihm gilt schon: man muss seine Art und seine Stimme mögen. Da gehen die Meinungen weit auseinander. Der Rezensent gehört nicht zur Gruppe der frenetischen Fans, aber er erkennt seine Leistungen definitiv an. Und als Rinaldo war er für meine Ohren unerwartet gut.

Kein Unbekannter ist auch der noch aufstrebende amerikanische Countenor Christopher Lowrey, der als eben jener Argante, der in der Uraufführung noch Bass war, in Halle sein Debüt gab. Kurz vor Halle war er in Göttingen in der diesjährigen Festivaloper des „Arminio“ der Titelheld. Auch sein Argante in Halle überzeugte. Zwar findet der Rezensent seine Stimme nicht wirklich eingängig, aber sie klingt selten voll, rund und kräftig.

Eine echte Überraschung war in den „Nebenrollen“ versteckt. Von der in Palermo geborenen Sopranistin Anastasia Terranova, die in „Rinaldo“ die Sirene und die Dame gab, wird man ganz sicher noch ganz viel hören. Man hat es auch schon, in einigen Stücken von Monteverdi, der „Missa di Santa Cecilia“ von Alessandro Scarlatti und anderen von Vivaldi – unter Enrico Onofri und seinem Palermoer Ensemble Antonio il Verso.

http://gfhandel.org/handel/worklist/1to42.html#HWV7b Unterschiede in den Besetzungen / Stimmlagen kurzgefasst




Auf Kreuzfahrerseite: die liebliche Almirena (Sandrine Piau) mit einem hier mal etwas bulligeren Rinaldo (Xavier Sabata) und ganz rechts Almirenas Vater Goffredo (Jason Bridges), dem Führer des Kreuzzuges



Auf Sarazenenseite: 
Christopher Lowrey als Argante, König von Jerusalem, und
Eve-Maud Hubeaux als dessen Geliebte und Zauberin - Armida, letztere im Übrigen mit einem bezaubernden "S"-Fehler


Alle Gesangssolisten, 3.v.l. der bezaubernde Bass Tomislav Lavoie als christlicher Zauberer Mago und als 2.v.r. die erwähnte Sopranistin Anastasia Terranova. In der Mitte (5.v.r.) zwar klein, doch musikalisch grandios: Christophe Rousset, im Hintergrund das Kammerorchester Basel

Bilder (c) Stiftung Händel-Haus Halle




Freitag, 6. Juli 2018

Händel-Festspiele Halle 2018 Opern 3: In Fortsetzung der Pasticcio-Pflege der Händelfestspiele, entführt uns "Oreste" des Jungen Ensembles des TadW Wien in einen U-Boot-Bunker von La Rochelle

Händelfestspiele Halle 2018
ORESTE HWV A11 
Pasticcio von Georg Friedrich Händel
(Deutsche Erstaufführung der Wiener Produktion) 
 

Samstag, 02. Juni 2018 15:00 Theater Bernburg

Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky 
Regie: Kay Link
Ausstattung: Olga von Wahl
Licht: Franz Josef Tscheck

Solisten:
Ray Chenez (Oreste)
Viktorija Bakan (Ermione)
Carolina Lippo (Ifigenia)
Julian Henao Gonzalez (Pilade)
Matteo Loi (Toante)
Florian Köfler (Filotete)
Gabriel Scheib (Un guardino)
Bach Consort Wien

Produktion des Theaters an der Wien in der Kammeroper
Aufführung in der italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln nach der Hallischen Händel-Ausgabe

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

Es ist nun schon seit einiger Zeit ein dankbar aufgenommenes und verdientes Anliegen der Halleschen Händelfestspiele, auch selten bis nie eingespielte Musik Händels dem Publikum hörbar zu machen. Die Rede ist von Händels sogenannten Opern-Pasticcios, also jenen „Pasteten“ (so der Originalbegriff auf Deutsch) oder „Best-of-Zusammenstellungen“ eigener oder fremder Musik. Diese Pasticcios wurden lange, da sie als scheinbar nicht so herausgehobene und v.a. nicht originäre künstlerische Leistungen betrachtet worden, vernachlässigt, doch jetzt endlich gibt es Ensembles, die sich ihnen widmen.
Bei den Händelfestspielen 2018 gibt es gleich 3 davon.

Eine davon ist Händels „Oreste“, der den bekannten Iphigenie-Stoff aufgreift und hier den männlichen Titelhelden ins Zentrum stellt. Das Werk wurde in den 1980ern von der Halleschen Händel-Ausgabe bearbeitet und herausgebracht und dann erstmals bei den Händelfestspielen 1988 aufgeführt. 2002 nahm sich George Petrou mit einem beeindruckenden Cast des Pasticcios an und brachte bei MDG eine Referenzeinspielung heraus. Auch die Komische Oper in Berlin hat den Oreste inzwischen schon einmal inszeniert. Eine weitere Inszenierung mit Charlotte Hellekant als Oreste und Valentina Farcas als seine Gattin Ermione ist auf DVD erhältlich.

Nun präsentierte sich im Rahmen der Händel-Festspiele 2018 das Junge Ensemble des Theaters an der Wien und das Bach Consort Wien mit eben dieser Oper im Carl-Maria-von-Weber-Theater in Bernburg, womit das Hallesche Händelfest seine Bestrebungen, Händels Musik in die Lande zu tragen und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit anderen Theatern in Sachsen-Anhalt fortsetzt. Das Theater in Bernburg ist eines der wenigen erhaltenen klassizistischen Theater in Bernburg und bietet somit ein nettes, historisch anmutendes Ambiente für eine Opernaufführung Händels. Auch ist Bernburg ein nettes kleines Städtchen mit vielen ansprechenden Häuschen und Villen.

In der Ankündigung war zu lesen, dass das Junge Ensemble des TadW sich diesem Stoff „musikalisch packend und szenisch höchst interessant“ widme. Letzteres würde ich unterschreiben, ersteres weniger. Im Gegenteil: zuweilen kam es aus dem Orchestergraben ziemlich behäbig daher. Was die szenische Umsetzung angeht: ja, sie war in der Tat interessant. Aus zwei Gründen: doch dazu mehr unten.

Worum geht es in Oreste: Auf einer Insel (Taurus, die heutige Krim) hat sich ein tyrannischer Machthaber – Toante mit Namen – verschanzt, da ihm vom Orakel geweissagt wurde, dass er von einem Fremden namens Orest getötet werden würde. Da er dieses Orakel fürchtet, hat er den Befehl herausgegeben, dass alle auf der Insel anlandenden Fremden (zumindest Männer) getötet werden. Verkleidet wird das als Opfer für die Götter, aber eigentlich ist es Mord. Mit der Ermordung und Opferung beauftragt ist Ifigenia, die aus der griechischen Sagenwelt bekannte Iphigenie. Als Tochter des Königs Agamemnon sollte sie als Kind auf dessen Geheiß selbst geopfert werden und wurde lediglich durch die Göttin selbst gerettet, da diese das Opfer nicht annehmen wollte. Seitdem lebt sie auf der Insel Taurus und erfüllt als Priesterin den Herrscherwillens des tyrannischen Machthabers und tötet seither in regelmäßigen Abständen Männer.

Dann kommt es wie es kommen sollte und auch der Bruder Iphigenias, eben jener dem Toante geweissagte Orest landet just auf Taurus an, da ihm, ebenfalls vom Orakel, geweissagt wurde, dass er auf Taurus seine Erlösung finden werde. Es landen in der Folge des Weiteren noch Orests Frau Ermione und sein bester Freund Pylade an. In Erstere verliebt sich der Tyrann Toante und Pylade will sich in der Folge als guter Freund, der er ist, als Orest ausgeben, um diesen von der fälligen Hinrichtung zu retten.
In einem Bemühen, die Handlung mit aktuellem Bezug umzusetzen hatte man zum Einen die Idee, die Insel dadurch zu kennzeichnen, dass am Anfang tosende Meereswellen auf die Leinwand geworfen werden, bevor sich als Kulisse ein an die Nazi-U-Boot-Bunker an der französischen Westküste erinnernder Bau auftut, in dessen Gefilden ein U-Boot schräg aus der See sticht, in das sich der Machthaber der Insel in seiner Angst förmlich verschanzt. Auch hat man ihm einen wirren Blick und massive Augenringe versetzt, um so nahezulegen, an was für einem schweren psychischen Erbe der Machthaber selbst zu tragen hat. Er ist eigentlich selbst ein Getriebener.

Das Zweite, das die Inszenierung interessant macht, ist die Änderung des Endes. In Händels Pasticcio tötet Oreste in der Tat den alten Tyrannen und ruft sich zum Herrscher der Insel aus und verspricht allen ein besseres Leben. Im Regiekonzept von Kay Link nun kann ein auf Mord sich begründender guter Staat kein guter Staat oder kein guter Neuanfang sein und so lässt er sowohl Pylade als auch Orests Schwester auf absoluten Abstand zu Orest gehen: Ifigenia flüchtet von der Insel und Pylade bringt sich gar um (womit die Oper endet). Aber auch Orests Frau Ermione ist nicht wirklich glücklich, ihre gesamte Gestik und Mimik spricht Bände: auch sie, die die ganze Zeit dafür gekämpft hat, Orest zu retten, würde am liebsten von ihm gehen, da er seine Hände ebenso mit Blut befleckt hat wie der alte Tyrann.

Den Titelhelden singt der noch junge Countertenor Ray Chenez, der bei den nächsten Händelfestspielen in Halle 2019 gleich mehrmals wiederauftreten wird. Sein klarer Sopran ist lieblich anzuhören und verspricht noch einiges.

Das absolute stimmliche Highlight des fast dreistündigen Opernerlebnisses indes waren die Damen, insbesondere die Sopranistin Viktorija Bakan aus Litauen, die seit einigen Jahren ebenfalls zum Jungen Ensemble des TadW gehört. Ihr Sopran ist einfach Wahnsinn! Wirklich.

Auch Ifigenia überzeugt stimmlich voll. Das Einzige, das der Rezensent nicht bestätigen mag, ist, dass die Umsetzung musikalisch packend war. Dazu fehlte einfach die entsprechende Unterstützung und wohl durchdachte Würze aus dem Orchestergraben.


Dirk Carius


Das U-Boot im Bunker von La Rochelle - hier drin verbarrikadiert sich der angstgeplagte Toante - Tyrann der Insel Taurus (Krim) in dieser Oper.


Iphigenie als Hohe und Opferpriesterin becirct den sie liebenden General der Streitkräfte des Tyrannen Filotete. Dieser verspricht ihr, ihren Bruder Orest, sollte er jemals auf der Insel anlanden zu beschützen. Das tut er dann auch und stellt sich gegen seinen Herrscher.


Iphigenia im Opfer- oder sollte man lieber sagen Schlächtergewand

Fotos: Herwig Prammer



Händel-Festspiele Halle 2018 Solistenkonzerte 2: Etwas mozartgetränkt erweckt eine stimmgewaltige Sophie Karthäuser Händels Angelica und Cleopatra zum musikalischen Leben (Festkonzert mit Capella Augustina)

Händelfestspiele Halle 2018

Festkonzert mit Sophie Karthäuser 
 

Capella Augustina
Musikalische Leitung: Andreas Spering

Sonntag 27.05.2018 Halle, Aula im Löwengebäude der Universität Halle

Sophie Karthäuser hat wahrlich eine beeindruckende, den Saal füllende Stimme. Scheinbar mühelos durchdringt und füllt sie ihn mit ihrem glasklaren Sopran.

Auf ihrem Teil des Programms stehen Opernarien aus den Händelopern „Giulio Cesare“ - mit der Klage-Arie „Piangerò la sorte mia“ der Cleopatra beginnt sie ihren Programmpart, im zweiten Teil folgt Cleopatras Arie „Se pietà di me non senti“ - und „Orlando“ (2 Arien der Angelica, gleich hintereinander zum Ende des 1. Teiles). Dazu kommt noch als Abschluss des Programms eine Arie der Clotilde aus „Faramondo“, einer der letzten Opern Händels „Combattuta da due venti“.

Begleitet wurde Sophie Karthäuser von der Capella Augustina unter der Leitung von Leitung von Andreas Spering, die seit vielen Jahren den Saal im Schloss Brühl bei Bonn mit Barockkonzerten bespielt. Spering und sein Orchester widmen sich Händels Konzertwerk, insbesondere seinen concerti grossi, was natürlich an sich schon einen vollen Konzertabend bzw. eine volle Matinee abgegeben hätte. (Wenn man es spaßig hinterfragen würde, könnte man nun fragen, was der Hauptteil und was die Begleitung war, also war es ein Concerti-grossi-Vormittag oder ein Festkonzert der Sopranistin.)

Das Orchester, das übrigens Spering selbst 1996 gegründet hat, hat über die Jahre seinen ganz eigenen Klang entwickelt, den ich als eher getragen und majestätisch beschreiben würde. Ganz sicher ist er nicht so inspiriert und inspirierend wie die LauttenCompagney oder das kammerorchester Basel oder gar Il Pomo d‘Oro, die man alle samt auch bei den diesjährigen Händelfestspielen erleben konnte. Aber es lässt den Feste begleitenden Charakter, den einige Concerti grossi ja hatten, sehr gut wiederauferstehen. Insofern ein sehr gelungener Einstieg in einen Festspielsonntag, der am selben Tag noch die szenische Umsetzung des „Parnasso in festa“ mit der Lautten Compagney in Bad Lauchstädt und am Abend die diesjährige Festspieloper „Berenice“ am Opernhaus Halle bot.

Sophie Karthäuser hat für ihren Programmteil sehr ansprechende Arien zweier bedeutender Frauengestalten Händels ausgewählt – Cleopatra und Angelica – und diese von Klage bis Kampf und Wut gestreut. Und zurecht wird ihre Stimme in ganz Europa gefeiert. Es ist ein Genuss, diese volle Stimme zu hören. Gefeiert wird sie insbesondere für Mozart-Interpretationen, und das ist auch, was man mit ihrem Namen verbindet. Und damit hätten wir auch das kleine Manko des Vormittags: dass sie so gern und viel Mozart singt, hört man leider auch durch, wenn sie Händel interpretiert. Ihr Stil ist ganz und gar nicht barock, sondern zeigt deutlich insbesondere die Legato-Züge der Händel folgenden Zeit. Dennoch war es beeindruckend von ihrem Stimmbild umflossen zu werden.

Dirk Carius



Fotos: Händelfestspiele Halle (c) Patricia Reese


Händel-Festspiele Halle 2018 Solistenkonzerte 1: Die diesjährige Händelpreisträgerin Joyce Didonato begeistert das Hallenser Publikum und bringt den Händelfestspielen einen bedeutenden Internationalisierungsschub.

Händelfestspiele Halle 2018

Festkonzert mit Joyce DiDonato 

Programm: "War & Peace"
Händelpreisträgerin 2018
 

Il Pomo d'Oro
Musikalische Leitung: Maxim Emilyanichev

Samstag 19.05.2018 Halle, Georg-Friedrich-Händel-Halle

In diesem Jahr wurde eine Künstlerin mit dem Halleschen Händelpreis ausgezeichnet, die diese Ehrung schon lange verdient hätte - und die Barockfans schon sehr lange bekannt und bei vielen geliebt wenn nicht gar verehrt ist: Joyce DiDonato. Unvergessen ist ihre Mitwirkung in dem Händel ehrenden Film aus dem Jahre 2009. Und selbstverständlich hat sie in großartigen Soloalben bewiesen, wie großartig sie ist.
Sicher ist auch maßgeblich ihr, die regelmäßig an der MET in New York singt oder gar die Saison eröffnet, mit zu verdanken, dass an diesem altehrwürdigen Haus, das für vieles, aber nicht so sehr für Barockpflege bekannt ist, nun schon einige Barockopern zu sehen waren und dass im Jahre 2011 ein in heutiger Zeit die barocke Kunst des Pasticcios, des Zusammenwürfelns verschiedener Erfolgsnummern, sei es nur eines Komponisten oder von unterschiedlichen Schöpfern wiederaufgegriffen wurde und mit "The Enchanted Island" eine völlig neue, unbekannte Barockoper, mit aber vielen bekannten Nummern, speziell für die MET geschrieben und zusammengestellt und an selbiger aufgeführt wurde.

Inzwischen hat Joyce DiDonato einen riesigen Fankreis weltweit, natürlich zunächst und sicher am größten in ihren heimischen Gefilden, aber auch europaweit. Im Übrigen auch einen Fankreis, der in nicht geringer Zahl ihr regelrecht hinterher reist. Einer ihrer größten Fans ist die für die Förderung zahlreicher Barockprojekte bekannte amerikanische, in Italien lebende Krimiautorin Donna Leon. Sie hat insbesondere das jahrelang weithin bekannte und CD-editorisch aktivste Orchester, das ihr Landsmann und wie sie Wahlitaliener Alan Curtis begründet und über Jahrzehnte geleitet hat, gefördert: Il Complesso Barocco. Aus diesem ging vor einigen Jahren mit neuer künstlerischer Leitung durch den Dirigenten und versierten MultiInstrumentalisten Maxim Emilyanichev (auf Deutsch sollte man besser Emiljanitschew schreiben) hervor: Il Pomo d'Oro, eines der agilsten und stilsichersten und zugleich forschesten Orchester im Bereich der aktuellen Musik heute. Letzteres nun war nun auch das Orchester, das das neue Programm der amerikanischen Ausnahmemezzosopranistin Joyce DiDonato begleitet.

Da kamen also mehrere Gründe zusammen für Donna Leon, auch dieses neue Projekt einer geachteten und verehrten Händelinterpretin und eines von ihr lange Jahre schon begleiteten Orchesters zu fördern. Und das bedeutet auch, beide auf ihrer Tour durch Europa zu begleiten. So war denn Donna Leon in den letzten Monaten mehrfach in Deutschland und Europa - und nun also auch in Halle zum Festkonzert mit Joyce DiDonato. Mit der Schriftstellerin nun wieder mag auch noch ein Teil Fans angereist sein.

Jedenfalls hat das Händelfestival in Halle durch den das Festkonzert mit Joyce DiDonato einen bedeutenden Internationalisierungsschub erfahren und ist vielen amerikanischen und anderen Fans weltweit in den Fokus gerückt worden. Die Händelhalle in Halle war jedenfalls diesmal voller internationalen Stimmengewirrs, allen voran eine nicht mehr zu überhörende große Besucherschar von über den großen Teich und aus England.

Allein dafür ist den Händelfestspielen nur zu gratulieren und ist Joyce DiDonato zu danken, dass sie hier in Halle Station gemacht hat.

Was das neue Programm "War & Peace" - Krieg und Frieden - angeht, so ist dieses von Anbeginn gehypet worden, ist seine Uraufführung im Teatro de Liceu in Barcelona live von Arte und möglicherweise anderen Sendern übertragen worden, sind zeitnah sowohl eine CD als auch eine DVD des Programms auf den Markt geworfen worden - und begann die Tour durch ganz Europa. Für Selbiges hat sich Joyce DiDonato einen Regisseur, einen Videokünstler, einen Tänzer sowie insbesondere auch eine Designerin für ihre Festkonzertkleider hinzugeholt und diese aus der ganzen Welt um sich versammelt. Herauskommen sollte ein Gesamtkunstwerk. Also dass die Künstlerin nicht nur vor ihrem Orchester steht und singt und vielleicht noch ein bisschen post, sondern dass das Ganze auch in ein Konzert aus Licht und Videohintergrund und -kulisse eingetaucht ist, sich in geplanten Bewegungen über die Bühne bewegt usw.

Und an dieser Staffage scheiden sich die Geister. Die Einen sind begeistert und sehen sowohl in den sich ineinander verkreiselnden Kreisen, die sowohl Friedens- wie auch Kriegs- und Rachearien untermalen als auch in den für die meisten nicht aufgehenden Spaziergängen, Posen und zuweilen kurzen Tanzpassagen des - dabei sehr ansehnlichen - Tänzers aus Argentinien einen tieferen Sinn bzw. in ihnen geht durch diese Installationen ein Kopfkino auf. Für die Anderen erschließt sich weder der Sinn des Einen noch des Anderen und ist auch nicht begreiflich, warum sich die Kleider für Krieg und Frieden nicht wesentlicher unterscheiden als durch das unterschiedliche Tragen der Stola, einmal über den Kopf wie bei einem Flüchtling und einmal offen über den Hals gelegt, aber die Farbgebung ist nicht wirklich unterschiedlich.

Der Rezensent gehört definitiv zur letztgenannten Fraktion. Ihm hat sich schon in der Liveübertragung auf Arte der Sinn des gesamten Beiwerks nicht erschlossen, er tat es auch jetzt nicht, wo der die gesamte Perspektive vor sich hatte. Ein Gespräch, das der Rezensent mit Donna Leon führen konnte, machte klar, dass diese von der gesamten Produktion super begeistert war. Nun ja: Kunst ist eben immer noch ein sehr individuelles Erlebnis und Ereignis.

Eine zweite Sache hat sich dem Rezensenten auch nicht erschlossen und ihn sogar verärgert: sei es wegen eines Regiekonzepts, sei es aus Zeitmangel, sei es aus anderen Gründen, Joyce Didonato, die so wunderbar kolorieren kann und gleichzeitig A'-Teile hingeschmettert hat in früheren CD-Aufnahmen und Konzerten verzichtet in ihrem neuen Programm bei diversen Arien darauf, diese auszusingen und so entgeht den Zuschauern und Zuhörern ein sehr großer und wichtiger Teil ihrer Kunst und dessen, was der eigentliche Grund ist für die diversen Auszeichnungen und Lobesgesänge, die DiDonato in aller Welt erfahren hat. So wie eben jetzt auch den Händelpreis der Stadt Halle verliehen durch die Stiftung Händel-Haus im Rahmen der diesjährigen Händelfestspiele und eben am Ende des hier besprochenen Festkonzerts.

Es bleibt das große und ihr nicht zu vergessende Verdienst durch ihr Konzert in Halle die hiesigen Händelfestspiele ins Bewusstsein eines größeren internationalen Publikums gerückt sind. Ein solcher Zugewinn ist den in ihrer ganzen Bandbreite und ihrem gesamten Facettenreichtum noch immer nur unzureichend gewürdigten Händelfestspiele in Halle. 

Dirk Carius


Foto: (c) Brooke Shaden

Händel-Festspiele Halle 2018 Opern 2: Die diesjährige Festivaloper "Berenice" des Opernhauses Halle macht die Aufführung aller Händelschen Opern komplett - eine unterhaltsame Persiflage auf Facebook- und Selfiewahn in Revuegewand







Händelfestspiele Halle 2018

BERENICE, REGINA D‘EGITTO HWV 38

Oper von G. F. Händel

Berenice - Ks. Romelia Lichtenstein
Alessandro - Samuel Mariño
Demetrio - Filippo Mineccia
Selene - Svitlana Slyvia
Arsace - Franziska Gottwald
Fabio - Robert Sellier
Aristobolo - Ki-Hyun Park
Statisterie der Oper Halle
Händelfestspielorchester Halle
Musikalische Leitung: Jörg Halubek

Regie: Jochen Biganzoli
Bühne: Wolf Gutjahr
Kostüme: Katharina Weissenborn
Video: Konrad Kästner
Beleuchtung: Peter Erlenkötter
Dramaturgie: Kornelius Paede

Produktion der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle zu den Händelfestspielen Halle 2018

Mit der diesjährigen Festivaloper „Berenice“ vollendet sich ein schon lange zielstrebig verfolgtes Projekt: mit der „Berenice“ dieses Jahr werden alle 42 regulären Händel-Opern (ohne Pasticcios) in seiner Geburtsstadt erklungen und aufgeführt worden sein. Ich denke, allein dazu kann man das Opernhaus Halle schon mal beglückwünschen, ist das doch eine Leistung.
Und die „Berenice“ lassen sich die Hallenser richtig was kosten, kaufen gleich 2 klasse Countertenöre und eine auf Hosenrollen spezialisierte Mezzosopranistin (Franziska Gottwald) sogar für eine Nebenrolle ein. Und sie lassen es krachen wie lange nicht mehr. Die 3 Stunden vergehen wie im Fluge und man ist bildhaft bewegt.

Wieder einmal transponiert das Hallesche Opernhaus eine Barockoper in die Moderne und hält der modernen Gesellschaft mit ihrem Handy-, Twitter-, Facebook- und Selfies-Wahn sowie altbekannten und heute dank Trump auch in die Politik Einzug gehalten habenden Drohungen an andere Staaten über Tweets den Spiegel vor. Und sie schickt nicht nur die Facebook- und Twitter-Newsfeeds in rasantem Tempo über die Leinwände scrollen, sondern auch die Akteure immer wieder durch die gesamte Kulisse hintereinander her rennen.

Es ist also sehr viel Bewegung im Spiel. Ist es auch Stress? Nun ja, für manchen vielleicht. Der Rezensent, der nicht mal einen Facebook-Account hat und diese Datenkrake rundherum ablehnt und noch nie getwittert hat, noch Twitternachrichten verfolgt, fühlt sich von diesem Input nicht genervt, ist er für ihn doch nur ein realistisches Abbild der Gegenwart. Unklar bleibt einzig, ob die Facebook-et-al-Manie nur einfach als Element der Realität übernommen wird oder ob es auch eine Botschaft gibt in der Richtung, dass man diesen Mediengebrauch und das ständige Sichselbstknipsen lassen sollte. Ich möchte mal hoffen, letzteres.

Unterstützt wird diese These durch den Glitzervorhang, der das ganze Theater rund um Facebook und Twitter zu einem solchen (Theater-)Spektakel werden lässt. Insbesondere auch in den Passagen, in denen sich nach und nach jeder einzelne der DarstellerInnen vor der auf der Bühne stehenden HD-Kamera mit Grimassen und aufgeblähtem Gestus präsentiert wird klar, was dieses ganze Facebooktheater eigentlich soll: eine große, aber keineswegs unbedingt großartige Selbstdarstellung und Selbstinszenierung, die nicht sein muss.

Der Glitzervorhang und einige mal glänzende, mal historisch anmutende, aber optisch sehr ansprechende Kostüme, die authentische Farbe auf die Bühne bringen, geben der Theatervorstellung auch den nötigen Glanz und Glitter, bieten eine Wohltat fürs Auge, noch dazu schön farblich abgeschmeckt.

Natürlich bringt die Inszenierung aber auch sehr ernste Aspekte der heutigen Welt auf die Bühne: Berenice (alias die historisch überlieferte ägyptische Königin Kleopatra Berenike III.) wird von einem anderen Staat – im Libretto vom Alten Rom, das historisch gesehen auf die Getreidelieferungen aus Ägypten scharf, wenn nicht gar angewiesen war – bzw. seinen entsprechenden Statthaltern per Twitterpost erpresst, entweder den Rom genehmen Alessandro zu ehelichen oder aber man werde ihr „Ländchen“ mit Krieg überziehen. Auch der NSA-Skandal wird aufgegriffen: ein verräterisches Schreiben, in dem sich ein Gegner Roms, aber ebenfalls an Ägypten interessierter Staatsführer (der König von Pontus) anerbietet, dem zweiten, von ihm begünstigten Kandidaten um die Gunst und Hand Berenikes – Demetrio – zu helfen, taucht hier als E-Mail auf und wird wie der Brief im Libretto von Berenike-Getreuen abgefangen.

Händel hatte seine „Berenice“ für die Saison 1736/37 am königlichen Theater Covent Garden geschrieben. Sie wurde allgemein nicht als Händels beste Oper wahrgenommen, aber seit der mustergültigen Einspielung durch das Complesso Barocco mit einem erstklassigem Cast bei Virgin 2010 wissen wir, was für schöne Nummern Berenice enthält. Dass „Berenice“ unverdient so abgewertet wurde, hatte auch der Händelforscher Winton Dean schon erkannt, der schreibt:

„Die Schwächen der Berenice sind dramatischer, nicht musikalischer Art. Es gibt kein wahrnehmbares Nachlassen [von Händels] Erfindungsreichtum: Fast jeder Arie, selbst auf Nebenschauplätzen, hat subtile musikalische Wendungen oder feine strukturelle Details. Bei Burney, der die Dramatik und Charakterisierung [im Allgemeinen] nicht so interessant fand, rangiert [Berenice] weit oben und er widmete ihr [in seiner Allgemeinen Musikgeschichte, 1789] mehrere Seiten zur Beschreibung der Partitur.“ (Winton Dean: Handel’s Operas, 1726–1741. Boydell & Brewer, London 2006, Reprint: The Boydell Press, Woodbridge 2009, ISBN 978-1-84383-268-3, S. 383; deutsche Übersetzung übernommen vom deutschen Wikipedia-Eintrag)

In Halle werden die beiden männlichen Bewerber um Berenices Gunst von zwei erstklassigen Countertenören gesungen. Der Eine – Filippo Mineccia, Demetrio verkörpernd – ist in Halle schon mehrfach aufgetreten und ausgiebig verdient beklatscht worden, zuletzt als Titelfigur des Lucio Silla in Händels gleichnamiger Oper (Produktion der Oper Halle für die Händelfestspiele 2016, Wiederaufnahme 2017). Lucio Silla übrigens wäre sogar der historisch gesehen hinter den römischen Interessen stehenden Statthalter und Imperator Roms zu Zeiten der Berenice, insofern gibt es sogar einen historischen Bezug zwischen den beiden Besetzungen. Der Andere ist eine der Entdeckungen des diesjährigen Händelfestivals. Den von den Römern begünstigten Alessandro verkörpert der aus Venezuela stammende und dort ausgebildete Countertenor Samuel Mariño, der mit einem glasklaren, reinen, völlig unangestrengten und zudem völlig natürlichen Sopran mühelos in Höhen vordringt, bei denen andere Counter und auch Sopranistinnen anfangen (müssen) zu pressen. Der Rezensent würde mal die These wagen, dass auch Mariño noch ganz groß rauskommen wird – und somit die Halleschen Festspiele wieder mal, wie z. B. 2009 bei der Premiere des mit Puppen auf der Bühne grandios inszenierten „Rinaldos“ der Lautten Compagney den noch studierenden Valer Barna-Sabadus, der bei den Händelfestspielen 2019 wieder in Leipzig auftreten wird, einen Künstler präsentieren und entdecken mit ganz großem Potential.

Die Titelheldin wird verkörpert von der Lokalmatadorin Kammersängerin Romelia Lichtenstein, die in dieser Rolle nicht nur aufgeht, sondern absolut in ihrer Komfortzone singt und somit an ihre Höchstleistungen von vor einigen Jahren würdig anschließt.
Wie schon oben angedeutet, verdient auch ein anderes Detail besondere Erwähnung: Franziska Gottwald, in ganz Europa gefeierte Mezzosopranistin und vielerorts die männlichen Hauptrollen verkörpernd wurde für die in der Oper kleine Nebenrolle des Arsace für die Hallesche Produktion gewonnen und gibt dieser Rolle eine wahrscheinlich nie beabsichtigte Präsenz, auch wenn sie – zeitweise – im wenig hermachenden Kostüm einer Putze, wenn nicht Klofrau daherkommt.

Also: Glückwunsch an die Bühnen Halle für diese überzeugende und rundum zufriedenstellende Produktion

Die diesjährige Festivaloper "Berenice" auf der Homepage der Oper Halle:

Dirk Carius


Das Ensemblebild (ganz links die beiden Countertenöre Filippo Mineccia und Samuel Mariño, ganz rechts Berenikes Schwester Selene und Berenice alias Svitlana Slyvia und Romelia Lichtenstein) gibt einen guten Eindruck vom Revuecharakter und dem Unterhaltungsgrad der diesjährigen Festivaloper.


Demetrio (Filippo Mineccia) kann sich nicht ganz entscheiden, ob er lieber Berenice oder ihre Schwester heiraten solle. Er richtet die Fahne nach dem Wind, will abwarten, welche von beiden von Rom als Königin akzeptiert wird.


Die Entdeckung des Abends und einer der Neuentdeckungen der diesjährigen Händelfestspiele - Counter Samuel Mariño als Alessandro



So posen sie zu unterschiedlichen Zeiten alle vor der Kamera auf der Bühne und das Bild erscheint gleichzeitig groß auf der Leinwand: hier Halles Robert Sellier und Romelia Lichtenstein


Bilder: Theater, Oper und Orchester GmbH Halle

Händel-Festspiele Halle 2018 Opern 1: "Parnasso in festa" mit Katschners Lautten-Compagney in Bad Lauchstädt

Parnasso in festa HWV 73 
Serenata von G. F. Händel 

szenische Aufführung Bad Lauchstädt 20. Mai 2018

Solisten:

Margriet Buchberger (Orfeo), 
Hanna Herfurtner (Clio), 
Riccardo Angelo Strano (Apollo), 
Julia Böhme (Calliope), 
Georg A. Bochow (Clori), 
Aurélie Franck (Euterpe), 
Elías Benito Arranz (Marte) 

Lautten Compagney Berlin 

Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner 
Regie: Sigrid T’Hooft 
Ausstattung: Niels Badenhop 

Erstaufführung in italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln nach der Hallischen Händel-Ausgabe
In Kooperation mit der Lautten Compagney Berlin und dem Goethe-Theater Bad Lauchstädt
Mit freundlicher Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Saalesparkasse

Seit vielen Jahren ist die Lautten Compagney nicht nur Garant für außergewöhnliche Klangerlebnisse, sondern zunehmend auch von spektakulären Produktionen. Und die Händelfestspiele in Halle sind weise genug, die langjährige Zusammenarbeit mit Katschner, seinem Orchester und seinem aus vielen jungen Talenten verlesenen Cast nicht aufzukündigen, sondern zur richtigen Tradition werden zu lassen. Lang anhaltender Beifall, wie er jedes Mal am Ende einer Vorstellung trotz zumeist widriger klimatischer Bedingungen erschallt, sollte hier eine klare Sprache sprechen.

In Erinnerung ist vielen ganz sicher die fulminante Produktion der Oper „Rinaldo“ mit einem klasse Puppenspiel auf der Bühne, einem musikalischen Feuerwerk mit reichlich Percussion aus dem Orchestergraben und dem Erschallen der Sänger- und Sängerinnenstimmen vom luftigen Balkon über das Publikum.

Nun also die Serenata „Parnasso in festa“, die die Hochzeitsfeier der glücklichen Vermählung von Thetis und Peleus auf dem Berg der Musen, dem Parnass, zum Hintergrund hat. Diesmal wieder mit Darstellern und Darstellung auf der Bühne, alles in historischer Aufführungspraxis. Regie führte die europaweit gefeierte Spezialistin für historischen Tanz und historische Gestik Sigrid T‘Hooft und die Ausstattung (Bühne und Kostüme) übernahm der noch immer auch als Sänger, Cembalist und Harfenist aktive Niels Badenhop, mit dem T‘Hooft schon mehrere Projekte zusammen stemmte.

Zum historischen Ansatz gegenüber dem modernen Regietheater-Ansatz gibt es im Begleitheft zur Produktion ein interessantes Interview mit Frau T‘Hooft. Dass es in manchem fast schon wie eine Verteidigungsrede klingt, sollte man nicht so ernst nehmen. Es ist allgemein bekannt und anerkannt, dass es eine große Fangemeinde gibt, die gerade die „plüschig-üppigen“ barocken Inszenierungen mit bombastischen Kostümen, ausladenden wiegenden Röcken und großen Federwunderwerken auf dem Kopf gibt. Der Genuss erhöht sich noch, wenn die Darsteller nicht nur in diesen Roben „dumm“ bzw uninformiert und uninspiriert rumstehen, sondern mit original barocken Bewegungsmustern über die Bühne flanieren und mit informierten Gesten und Bewegungen hantierend auf Objekte wie auf musikalische oder inhaltliche Höhepunkte verweisen oder Trauer, Freude und sonstige Emotionen überzeugend darstellen. Selbstredend gibt es auch die Fraktion, die historische Aufführungen langweilig und uninspiriert finden nach dem Motto alles schon gesehen. Die muss man nicht versuchen zu überzeugen, Kunst ist nun einmal ein sehr individuelles Erlebnis. Dem Rezensenten gefallen beide Arten von Inszenierungen, wenn sie stimmig sind, das Libretto gut spiegeln und Sinn ergeben.

Werden schließlich noch Tanzelemente oder gar richtige Tänze eingebaut, ist der Genuss komplett. Wer hier denkt, dieses barocke „Rumgehüpfe“ sei leicht zu imitieren, dem möchte ich raten, mal einen solchen Kurs zu besuchen: es ist mitnichten so einfach wie es aussieht, das Ganze auch noch mit Grazie zu tun.

Bei der Produktion des Parnasso in Festa kam nun alles zusammen: die Festkulisse bildet eine Wolkenlandschaft (mit Sitzmöglichkeiten hinter den einzelnen Wolken, einem Podest für Festreden des „leitenden Gottes“ Apoll oder für das Brautpaar), was sowohl die Höhe des Berges als auch das himmlische Wesen der Nymphen, auf deren Berg ja das Fest spielt, sinnfällig aufnimmt und zugleich typisch barocke Kunstelemente aufgreift (man denke nur an die vielen engelsbevölkerten Wolkenhimmel in barocken katholischen Kirchenbauten in Süddeutschland z.B.). Hinter bzw. gleichsam inmitten dieser Wolken sitzen und zwischen ihnen flanieren die Protagonisten in großen, typisch barocken Halbkreisen über die Bühne. Zugleich gibt es zwei Tanzende, die versuchen, die eigentlich handlungsarme Aneinanderreihung von Statements bzw. Festreden mit Leben zu erfüllen, sei es, dass sie die Figuren aufgreifen, sei es, dass sie Speis und Trank und andere Requisiten servieren (wie Korallen und Ketten in der Korallenszene) oder dass sie das in der Handlung selbst absente Brautpaar darstellen.

So wird denn auch die gesamte Serenata an keiner Stelle langweilig, auch wenn sie nicht wie viele Händelopern richtig effektbeladen daherkommt und eigentlich musikalisch eher weniger begeisternd ist.

Stimmlich getragen wird die Produktion von einem im Sonnenkönig Philippe XIV-gleichen Sonnengott-Kostüm flanierenden und deklamierenden Apollo, der durch den jungen italienischen Countertenor Riccardo Angelo Strano zu jeder Zeit stimm- wie tonsicher dargestellt wird – und das obwohl er eigentlich im „Vorwort“ als erkrankt und nicht zu seiner vollen Leistung fähig angekündigt wurde. Strano wirkte nach seinem Debüt 2009 u.a. in einer Live-Aufnahme der Oper „L‘Arlesiana“ von Francesco Cilea beim Pergolesi-Spontini-Festival in Jesi 2015 oder der Oper „Baccanali“ von Agostino Steffani beim Festival Valle d‘Itria in Martina Franca im letzten Jahr 2017 mit (Mitschnitt erscheint bei Dynamics). 2018 ist er noch in der Hasse-Serenata „Marc‘Antonio e Cleopatra“ im Ekhof-Theater Gotha und nächstes Jahr als Nireno in Händels „Giulio Cesare“ an der Dresdner Semperoper zu hören.

Ansonsten sind die weiteren Herren eher schwach und ragen eher die beiden Damen Hanna Herfurtner (Clio) und Aurélie Franck (Euterpe) heraus. Einen Sonderpreis verdient Countertenor Georg A. Bochow für seine sehr weibliche Darstellung der Clori(de). Ein rundherum gelungener Barocknachmittag in einem wie immer gut durcherhitzten historischen Theater in Bad Lauchstädt. Die Produktion wird in Bad Lauchstädt und auch im koproduzierenden Schlosstheater in Fulda zu erleben sein.

Dirk Carius

Ensemble: in der Mitte Kriegsgott Marte in strahlend rotem Kostüm, links davon Orfeo, links und recehts von beiden die Gäste der Hochzeitsfeier auf dem Parnass
Das Bild gibt ein Gefühl für die Gesamtansicht der Szene, den geschmack-vollen Himmel und die sehr ansprechenden Kostüme.


Gekrönt wird die Schar der Gäste von Apollo, der erhöht über den anderen Gästen post, die in Wolken gebettet sitzen und feiern. 


Hanna Herfurther als Gattin des Apollo - Clio

Bilder: LauttenCompagney (c) Marcus Lieberenz