Händelfestspiele
Halle 2018
Muzio
Scevola HWV 13
(Deutsche
Erstaufführung)
Opern-Pasticcio
von F. Amadei, G. Bononcini und G. F. Händel
Erste
szenische Wiederaufnahme seit dem 18. Jahrhundert
Solisten:
Alexis
Vassiliev (Muzio Scevola),
Markéta
Cukrová (Clelia),
Michaela
Šrůmová (Orazio),
Lucia
Knoteková (Fidalma),
Marta
Fadljevičová (Lucio Tarquinio),
Sylva
Čmugrová (Irene),
Roman
Hoza (Porsena)
Musica
Florea
Hartig
Ensemble – Tänze und Ballette aus drei Jahrhunderten
Musikalische
Leitung: Marek Štryncl
Regie:
Laurent Charoy
Choreografie:
Helena Kazárová
Bühne:
Václav Krajc
Kostüme:
Roman Šolc
Aufführung
in italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln
Samstag
09.06.2018 14:30 Goethe-Theater Bad Lauchstädt
Die
Headline sagt es schon: „Muzio Scevola“ ist eine wahre Rarität.
Nicht nur wird es nie auf einer Bühne gespielt, nein, bislang
existierte auch nicht einmal eine Gesamteinspielung. Was es bisher
gibt, ist eine Einspielung des 3. Aktes – und auch diese
Einspielung ist nicht vollständig. Der unbedarfte Leser fragt sich:
wie kommt man drauf, nur einen dritten und letzten Akt einer Oper
einzuspielen? Sind von den anderen Akten die Noten verlorengegangen?
Nein,
das ist mitnichten so, sondern hat lediglich damit zu tun, dass nur
die Händel-Pflege sich mit „Muzio Scevola“ beschäftigt hat und
Händel hat von dieser Oper nur den 3. Akt geschrieben. Die anderen
beiden Akte stammen von 2 anderen Komponisten. Akt 1 von einem
darüber hinaus nie weiter in Erscheinung getretenen Filippo Amadei,
genannt „Pippo“, den ersten Violoncellisten des Orchesters der
Royal Academy, der zweite von dem v.a. wegen seiner Instrumentalmusik
bekannten Giovanni Battista Bononcini, der aber in London als ebenso
bestellter Komponist zunächst Händels Kollege – oder Rivale –
an der Royal Academy of Music war.
2018
also gab es – nach einer gekürzten Aufführung 1977 in Oxford –
endlich einmal wieder den ganzen „Muzio Scevola“ zu hören –
und dazu noch in einer Aufführung zu sehen. Produziert wurde die
Oper von einem durchweg tschechischen Ensemble.
Die
Aufführung zählt zu den sogenannten historischen oder historisch
informierten Inszenierungen. Das heißt, das nicht nur die Kostüme
historisierend sind, sondern in diesem Falle auch das Bühnenbild
sowie die gesamte Choreografie inklusive eigens angestellter Tänzer,
die Barocktanz können, für die Tanzeinlagen, aber auch die gesamten
Bewegungsabläufe.
Die
Aufführung war auch rundweg sehenswert, auch wenn man – wie immer
– im Goethe-Theater in Bad Lauchstädt sich mal wieder
wegschwitzte. Es kann vorher kühl und verregnet sein, zum
Händelfestival ist es immer eine Bullenhitze draußen wie drinnen –
und in einem historischen Theater gibt es ja natürlich keine
Genehmigung für eine Klimaanlage.
Musikalisch
ging es durch die Akte immer weiter voran und wurde von Akt zu Akt
immer besser. Das ist wirklich das Besondere und möglicherweise
Begeisterungswürdige an „Muzio Scevola“, man hat mehrere
Versuche barocke Opern zu komponieren quasi in einer und somit den
direkten Vergleich. Und dieser fällt – wohl nicht nur für
Händelfans, wie sie zu einem Händel-Festival allen voran zu
erwarten sind – deutlich zugunsten Händels aus. Der erste Akt ist
im Vergleich zu dem, was nach der Pause losgeht, geradezu einfalls-
und ereignislos, und auch der zweite Akt ist noch nicht die große
Erfüllung.
Warum
man aber nun just am 3. und musikalisch ereignis- und
einfallsreichsten Akt Kürzungen vorgenommen hat, ist nicht ganz zu
erschließen. Es wäre hier eher unterhaltsamer gewesen, am ersten
Akt Diverses zu streichen.
Aber
so ist das nun mal im Leben, was dem Einen gefällt, ist für den
Anderen genau das Falsche, man kann es nicht allen recht machen.
Optisch
gesehen war die Produktion ein Genuss, musikalisch ganz ok, das große
akustische Ereignis indes blieb definitiv aus. Was einerseits an der
Musik selbst liegt/lag, andererseits aber auch an den Sängern und
Sängerinnen, die leider nicht zu den Besten zählen. Das die Ohren
wohl am meisten Anstrengende war der den Titelhelden singende
Countertenor, sich durch seine Beiträge und noch mehr Arien zu hören
grenzte nicht selten an eine Qual.
Es
ist schade, wenn eine solche sicher lohnende Produktion nicht rundum
gut werden kann, aber dafür ist vielleicht das überhaupt barock
singen und tanzen könnende Personal in Tschechien zu überschaubar
und man hat nicht versucht, ausländisches Personal mit einzubinden.
Dennoch
ist dem Händel-Festival zu danken und zu gratulieren, dass es ihm
immer wieder gelingt, so selten zu Hörendes auf die Bühne zu
bringen.
Bilder (c) Stiftung Händel-Haus Halle