Montag, 9. Juli 2018

Händel-Festspiele Halle 2018 Opern 5: Mit "Muzio Scevola" bringen die Händel-Festspiele in Halle eine wahre Rarität auf die Bühne


Händelfestspiele Halle 2018

Muzio Scevola HWV 13
(Deutsche Erstaufführung)

Opern-Pasticcio von F. Amadei, G. Bononcini und G. F. Händel
Erste szenische Wiederaufnahme seit dem 18. Jahrhundert

Solisten:
Alexis Vassiliev (Muzio Scevola),
Markéta Cukrová (Clelia),
Michaela Šrůmová (Orazio),
Lucia Knoteková (Fidalma),
Marta Fadljevičová (Lucio Tarquinio),
Sylva Čmugrová (Irene),
Roman Hoza (Porsena)

Musica Florea
Hartig Ensemble – Tänze und Ballette aus drei Jahrhunderten
Musikalische Leitung: Marek Štryncl
Regie: Laurent Charoy
Choreografie: Helena Kazárová
Bühne: Václav Krajc
Kostüme: Roman Šolc

Aufführung in italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln

Samstag 09.06.2018 14:30 Goethe-Theater Bad Lauchstädt

Die Headline sagt es schon: „Muzio Scevola“ ist eine wahre Rarität. Nicht nur wird es nie auf einer Bühne gespielt, nein, bislang existierte auch nicht einmal eine Gesamteinspielung. Was es bisher gibt, ist eine Einspielung des 3. Aktes – und auch diese Einspielung ist nicht vollständig. Der unbedarfte Leser fragt sich: wie kommt man drauf, nur einen dritten und letzten Akt einer Oper einzuspielen? Sind von den anderen Akten die Noten verlorengegangen?

Nein, das ist mitnichten so, sondern hat lediglich damit zu tun, dass nur die Händel-Pflege sich mit „Muzio Scevola“ beschäftigt hat und Händel hat von dieser Oper nur den 3. Akt geschrieben. Die anderen beiden Akte stammen von 2 anderen Komponisten. Akt 1 von einem darüber hinaus nie weiter in Erscheinung getretenen Filippo Amadei, genannt „Pippo“, den ersten Violoncellisten des Orchesters der Royal Academy, der zweite von dem v.a. wegen seiner Instrumentalmusik bekannten Giovanni Battista Bononcini, der aber in London als ebenso bestellter Komponist zunächst Händels Kollege – oder Rivale – an der Royal Academy of Music war.

2018 also gab es – nach einer gekürzten Aufführung 1977 in Oxford – endlich einmal wieder den ganzen „Muzio Scevola“ zu hören – und dazu noch in einer Aufführung zu sehen. Produziert wurde die Oper von einem durchweg tschechischen Ensemble.

Die Aufführung zählt zu den sogenannten historischen oder historisch informierten Inszenierungen. Das heißt, das nicht nur die Kostüme historisierend sind, sondern in diesem Falle auch das Bühnenbild sowie die gesamte Choreografie inklusive eigens angestellter Tänzer, die Barocktanz können, für die Tanzeinlagen, aber auch die gesamten Bewegungsabläufe.

Die Aufführung war auch rundweg sehenswert, auch wenn man – wie immer – im Goethe-Theater in Bad Lauchstädt sich mal wieder wegschwitzte. Es kann vorher kühl und verregnet sein, zum Händelfestival ist es immer eine Bullenhitze draußen wie drinnen – und in einem historischen Theater gibt es ja natürlich keine Genehmigung für eine Klimaanlage.

Musikalisch ging es durch die Akte immer weiter voran und wurde von Akt zu Akt immer besser. Das ist wirklich das Besondere und möglicherweise Begeisterungswürdige an „Muzio Scevola“, man hat mehrere Versuche barocke Opern zu komponieren quasi in einer und somit den direkten Vergleich. Und dieser fällt – wohl nicht nur für Händelfans, wie sie zu einem Händel-Festival allen voran zu erwarten sind – deutlich zugunsten Händels aus. Der erste Akt ist im Vergleich zu dem, was nach der Pause losgeht, geradezu einfalls- und ereignislos, und auch der zweite Akt ist noch nicht die große Erfüllung.

Warum man aber nun just am 3. und musikalisch ereignis- und einfallsreichsten Akt Kürzungen vorgenommen hat, ist nicht ganz zu erschließen. Es wäre hier eher unterhaltsamer gewesen, am ersten Akt Diverses zu streichen.

Aber so ist das nun mal im Leben, was dem Einen gefällt, ist für den Anderen genau das Falsche, man kann es nicht allen recht machen.

Optisch gesehen war die Produktion ein Genuss, musikalisch ganz ok, das große akustische Ereignis indes blieb definitiv aus. Was einerseits an der Musik selbst liegt/lag, andererseits aber auch an den Sängern und Sängerinnen, die leider nicht zu den Besten zählen. Das die Ohren wohl am meisten Anstrengende war der den Titelhelden singende Countertenor, sich durch seine Beiträge und noch mehr Arien zu hören grenzte nicht selten an eine Qual.

Es ist schade, wenn eine solche sicher lohnende Produktion nicht rundum gut werden kann, aber dafür ist vielleicht das überhaupt barock singen und tanzen könnende Personal in Tschechien zu überschaubar und man hat nicht versucht, ausländisches Personal mit einzubinden.

Dennoch ist dem Händel-Festival zu danken und zu gratulieren, dass es ihm immer wieder gelingt, so selten zu Hörendes auf die Bühne zu bringen.








Bilder (c) Stiftung Händel-Haus Halle


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