Freitag, 6. Juli 2018

Händel-Festspiele Halle 2018 Opern 1: "Parnasso in festa" mit Katschners Lautten-Compagney in Bad Lauchstädt

Parnasso in festa HWV 73 
Serenata von G. F. Händel 

szenische Aufführung Bad Lauchstädt 20. Mai 2018

Solisten:

Margriet Buchberger (Orfeo), 
Hanna Herfurtner (Clio), 
Riccardo Angelo Strano (Apollo), 
Julia Böhme (Calliope), 
Georg A. Bochow (Clori), 
Aurélie Franck (Euterpe), 
Elías Benito Arranz (Marte) 

Lautten Compagney Berlin 

Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner 
Regie: Sigrid T’Hooft 
Ausstattung: Niels Badenhop 

Erstaufführung in italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln nach der Hallischen Händel-Ausgabe
In Kooperation mit der Lautten Compagney Berlin und dem Goethe-Theater Bad Lauchstädt
Mit freundlicher Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Saalesparkasse

Seit vielen Jahren ist die Lautten Compagney nicht nur Garant für außergewöhnliche Klangerlebnisse, sondern zunehmend auch von spektakulären Produktionen. Und die Händelfestspiele in Halle sind weise genug, die langjährige Zusammenarbeit mit Katschner, seinem Orchester und seinem aus vielen jungen Talenten verlesenen Cast nicht aufzukündigen, sondern zur richtigen Tradition werden zu lassen. Lang anhaltender Beifall, wie er jedes Mal am Ende einer Vorstellung trotz zumeist widriger klimatischer Bedingungen erschallt, sollte hier eine klare Sprache sprechen.

In Erinnerung ist vielen ganz sicher die fulminante Produktion der Oper „Rinaldo“ mit einem klasse Puppenspiel auf der Bühne, einem musikalischen Feuerwerk mit reichlich Percussion aus dem Orchestergraben und dem Erschallen der Sänger- und Sängerinnenstimmen vom luftigen Balkon über das Publikum.

Nun also die Serenata „Parnasso in festa“, die die Hochzeitsfeier der glücklichen Vermählung von Thetis und Peleus auf dem Berg der Musen, dem Parnass, zum Hintergrund hat. Diesmal wieder mit Darstellern und Darstellung auf der Bühne, alles in historischer Aufführungspraxis. Regie führte die europaweit gefeierte Spezialistin für historischen Tanz und historische Gestik Sigrid T‘Hooft und die Ausstattung (Bühne und Kostüme) übernahm der noch immer auch als Sänger, Cembalist und Harfenist aktive Niels Badenhop, mit dem T‘Hooft schon mehrere Projekte zusammen stemmte.

Zum historischen Ansatz gegenüber dem modernen Regietheater-Ansatz gibt es im Begleitheft zur Produktion ein interessantes Interview mit Frau T‘Hooft. Dass es in manchem fast schon wie eine Verteidigungsrede klingt, sollte man nicht so ernst nehmen. Es ist allgemein bekannt und anerkannt, dass es eine große Fangemeinde gibt, die gerade die „plüschig-üppigen“ barocken Inszenierungen mit bombastischen Kostümen, ausladenden wiegenden Röcken und großen Federwunderwerken auf dem Kopf gibt. Der Genuss erhöht sich noch, wenn die Darsteller nicht nur in diesen Roben „dumm“ bzw uninformiert und uninspiriert rumstehen, sondern mit original barocken Bewegungsmustern über die Bühne flanieren und mit informierten Gesten und Bewegungen hantierend auf Objekte wie auf musikalische oder inhaltliche Höhepunkte verweisen oder Trauer, Freude und sonstige Emotionen überzeugend darstellen. Selbstredend gibt es auch die Fraktion, die historische Aufführungen langweilig und uninspiriert finden nach dem Motto alles schon gesehen. Die muss man nicht versuchen zu überzeugen, Kunst ist nun einmal ein sehr individuelles Erlebnis. Dem Rezensenten gefallen beide Arten von Inszenierungen, wenn sie stimmig sind, das Libretto gut spiegeln und Sinn ergeben.

Werden schließlich noch Tanzelemente oder gar richtige Tänze eingebaut, ist der Genuss komplett. Wer hier denkt, dieses barocke „Rumgehüpfe“ sei leicht zu imitieren, dem möchte ich raten, mal einen solchen Kurs zu besuchen: es ist mitnichten so einfach wie es aussieht, das Ganze auch noch mit Grazie zu tun.

Bei der Produktion des Parnasso in Festa kam nun alles zusammen: die Festkulisse bildet eine Wolkenlandschaft (mit Sitzmöglichkeiten hinter den einzelnen Wolken, einem Podest für Festreden des „leitenden Gottes“ Apoll oder für das Brautpaar), was sowohl die Höhe des Berges als auch das himmlische Wesen der Nymphen, auf deren Berg ja das Fest spielt, sinnfällig aufnimmt und zugleich typisch barocke Kunstelemente aufgreift (man denke nur an die vielen engelsbevölkerten Wolkenhimmel in barocken katholischen Kirchenbauten in Süddeutschland z.B.). Hinter bzw. gleichsam inmitten dieser Wolken sitzen und zwischen ihnen flanieren die Protagonisten in großen, typisch barocken Halbkreisen über die Bühne. Zugleich gibt es zwei Tanzende, die versuchen, die eigentlich handlungsarme Aneinanderreihung von Statements bzw. Festreden mit Leben zu erfüllen, sei es, dass sie die Figuren aufgreifen, sei es, dass sie Speis und Trank und andere Requisiten servieren (wie Korallen und Ketten in der Korallenszene) oder dass sie das in der Handlung selbst absente Brautpaar darstellen.

So wird denn auch die gesamte Serenata an keiner Stelle langweilig, auch wenn sie nicht wie viele Händelopern richtig effektbeladen daherkommt und eigentlich musikalisch eher weniger begeisternd ist.

Stimmlich getragen wird die Produktion von einem im Sonnenkönig Philippe XIV-gleichen Sonnengott-Kostüm flanierenden und deklamierenden Apollo, der durch den jungen italienischen Countertenor Riccardo Angelo Strano zu jeder Zeit stimm- wie tonsicher dargestellt wird – und das obwohl er eigentlich im „Vorwort“ als erkrankt und nicht zu seiner vollen Leistung fähig angekündigt wurde. Strano wirkte nach seinem Debüt 2009 u.a. in einer Live-Aufnahme der Oper „L‘Arlesiana“ von Francesco Cilea beim Pergolesi-Spontini-Festival in Jesi 2015 oder der Oper „Baccanali“ von Agostino Steffani beim Festival Valle d‘Itria in Martina Franca im letzten Jahr 2017 mit (Mitschnitt erscheint bei Dynamics). 2018 ist er noch in der Hasse-Serenata „Marc‘Antonio e Cleopatra“ im Ekhof-Theater Gotha und nächstes Jahr als Nireno in Händels „Giulio Cesare“ an der Dresdner Semperoper zu hören.

Ansonsten sind die weiteren Herren eher schwach und ragen eher die beiden Damen Hanna Herfurtner (Clio) und Aurélie Franck (Euterpe) heraus. Einen Sonderpreis verdient Countertenor Georg A. Bochow für seine sehr weibliche Darstellung der Clori(de). Ein rundherum gelungener Barocknachmittag in einem wie immer gut durcherhitzten historischen Theater in Bad Lauchstädt. Die Produktion wird in Bad Lauchstädt und auch im koproduzierenden Schlosstheater in Fulda zu erleben sein.

Dirk Carius

Ensemble: in der Mitte Kriegsgott Marte in strahlend rotem Kostüm, links davon Orfeo, links und recehts von beiden die Gäste der Hochzeitsfeier auf dem Parnass
Das Bild gibt ein Gefühl für die Gesamtansicht der Szene, den geschmack-vollen Himmel und die sehr ansprechenden Kostüme.


Gekrönt wird die Schar der Gäste von Apollo, der erhöht über den anderen Gästen post, die in Wolken gebettet sitzen und feiern. 


Hanna Herfurther als Gattin des Apollo - Clio

Bilder: LauttenCompagney (c) Marcus Lieberenz



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