Händelfestspiele
Halle 2018
Georg
Friedrich Händel
Rinaldo
HWV 7b
(2.
Fassung der Wiederaufnahme 1731, 20 Jahre nach der Erstaufführung
1711)
Solisten:
Jason Bridges (Goffredo),
Sandrine Piau (Almirena),
Xavier Sabata (Rinaldo),
Christopher Lowrey (Argante),
Eve-Maud Hubeaux (Armida),
Tomislav Lavoie (Mago) u. a.
Jason Bridges (Goffredo),
Sandrine Piau (Almirena),
Xavier Sabata (Rinaldo),
Christopher Lowrey (Argante),
Eve-Maud Hubeaux (Armida),
Tomislav Lavoie (Mago) u. a.
Kammerorchester
Basel
Musikalische
Leitung: Christophe Rousset
Erstaufführung
der Fassung von 1731 nach der Hallischen Händel-Ausgabe
„Rinaldo“
ist die erste Oper, mit der Händel nach seiner Ankunft in London
Leute für die italienische Oper zu begeistern sollte. Und seine
bewegende und mit fulminanter Musik untermalte Geschichte um den
umworbenen, aber treuen und verliebten Rasenden Ritter Roland wurde
1711 ein großer Publikumserfolg. Schon in der ersten Saison 1711
erreichte die Oper 15 Aufführungen – eine Zahl, die später nur
selten erreicht wurde - und wurde in den drei folgenden Spielzeiten
(1712, 1713, 1714) erneut aufgeführt. 1717 kam eine Wiederauflage,
diesmal mit kleineren Bearbeitungen und einzelnen Änderungen der
Stimmlagen entsprechend des zur Verfügung stehenden Personals, auf
die Bühne.
20
Jahre später, 1731, kramte Händel diesen erste Erfolgsoper wieder
hervor, überarbeitete sie und brachte sie in seiner zweiten
Opernakademie erneut auf die Bühne.
Es
ist natürlich immer ein Risiko, wenn man einen Hit wiederauflegt:
einerseits gibt es noch Leute, die sich an das Original erinnern und
zumeist gerade dieses mochten, andererseits ändert sich der
Geschmack und verfügbare Künstler, sodass Umarbeitungen vielleicht
angezeigt sind.
Auch
gibt es im Original der Oper einige Akzente, die im Libretto schon
zauberhaft sind, sich aber nur schwer umsetzen lassen, um so mehr,
wenn man den Aufwand auch reduzieren will und nicht wie beim ersten
Mal aus dem Vollen schöpft und neben Streitwagen, feuerspeienden
Drachen und Flugmaschinen auch lebende Sperlinge einsetzt, um die
wundervolle Arie "Augelletti, che cantate" der in den
Titelhelden verliebten Almirena zu umrahmen.
Die
„Urfassung“ des Rinaldo ist bis heute bekannt und einer der
Dauerbrenner des Händel-Repertoires auf deutschen und
internationalen Bühnen. Was – in Anbetracht der vielen richtigen
Hits – natürlich auch nicht verwundert.
In
Halle 2018 gab es nun die erste neuzeitliche Aufführung der zweiten,
stark veränderten Wiederaufnahme von 1731 nach der Hallischen
Händelausgabe, die bei Bärenreiter erscheint. Die Aufgabe, diese
Referenzaufführung zu übernehmen, nahm das Kammerorchester Basel
auf sich, diesmal unter einem zwar sehr bekannten, aber üblicherweise
mit seinem eigenen Orchester auftretenden Christophe Rousset.
Um
es gleich vorwegzunehmen: die wesentlichsten Hits des ersten Rinaldo
sind alle noch da und in ihrer Gestaltung nicht wirklich verändert,
auch wenn sie teilweise von anderen Handelnden in der Oper gesungen
werden oder z.B. diese Handelnden nun plötzlich nicht mehr hoch,
sondern tief singen usw. So wurde aus Goffredo, dem Vater der vom
Titelhelden geliebten Almirena, statt eines Kastraten ein Tenor,
während aus dem ursprünglichen Bass Argante (der „böse“, den
Kreuzrittern gegenüberstehende König von Jerusalem) ein Altkastrat
wurde. Die wunderbare Rolle der Armida, der bösen Zauberin, die dem
König von Jerusalem beisteht, dann aber dem Titelhelden verfällt,
wurde von Sopran zu Alt bzw. Contralto und damit deutlich nach unten
transponiert, in der Aufführung in Halle von einer Mezzosopranistin
gesungen.
Unter
den GesangssolistInnen des Abends stach für die gesamte Händel-Halle
eine Künstlerin hervor: Sopranistin Sandrine Piau, die nicht
zum ersten Mal beim Händelfestival eingeladen war. Sie sang die
Rolle der Almirena und verführte damit das gesamte Publikum. Von
ihrer ersten Arie „Augelletti, che cantate“ (Ihr kleinen
Vögelchen, die ihr singt) war oben schon die Rede, es war just die,
zu der im Theater am Haymarket auch reale Vögelchen aufflogen, die
sich dann im gesamten Theater verteilten und nicht wieder vertreiben
ließen. Die Arie ist ein Meisterwerk, aber es bedarf auch einer
Meister-Stimme, um damit das Publikum zu umschwirren und „sanfte
Winde“ um deren Ohren wehen zu lassen (wie es in der Arie weiter
geht). Nun: Piau kann das und wurde drum frenetisch gefeiert, wann
immer sie an der Reihe war. Um einen Eindruck von Piaus einzigartiger
Gesangskunst zu bekommen, höre man sie hier als Armida (nichtAlmirena) mit ihrer „Furie terribili“-Interpretation.
Allein diese Arie genügt, dass man beeindruckt und erfüllt aus
einer Aufführung des „Rinaldo“ geht.
Und
hier singt sie noch einen weiteren „Hit“ aus Rinaldo: mit derwohl bekanntesten Klagearie „Lascia ch‘io pianga“ wendet sichAlmirena an den sie gefangen haltenden Argante, ihre verlorene
Freiheit beweinen zu dürfen, um dadurch Erbarmen und ihre
Freilassung zu erwirken.
Auch
der den Titelhelden intonierende Xavier Sabata ist weder in
der Barockszene noch in Halle ein Unbekannter. Zuletzt war er mit
seinem Programm über „Bad Guys“ in der Barockoper zu hören.
Definitiv gehört er zu den guten Countertenören, aber auch bei ihm
gilt schon: man muss seine Art und seine Stimme mögen. Da gehen die
Meinungen weit auseinander. Der Rezensent gehört nicht zur Gruppe
der frenetischen Fans, aber er erkennt seine Leistungen definitiv an.
Und als Rinaldo war er für meine Ohren unerwartet gut.
Kein
Unbekannter ist auch der noch aufstrebende amerikanische Countenor
Christopher Lowrey, der als eben jener Argante, der in der
Uraufführung noch Bass war, in Halle sein Debüt gab. Kurz vor Halle
war er in Göttingen in der diesjährigen Festivaloper des „Arminio“
der Titelheld. Auch sein Argante in Halle überzeugte. Zwar findet
der Rezensent seine Stimme nicht wirklich eingängig, aber sie klingt
selten voll, rund und kräftig.
Eine
echte Überraschung war in den „Nebenrollen“ versteckt. Von der
in Palermo geborenen Sopranistin Anastasia Terranova, die in
„Rinaldo“ die Sirene und die Dame gab, wird man ganz sicher noch
ganz viel hören. Man hat es auch schon, in einigen Stücken von
Monteverdi, der „Missa di Santa Cecilia“ von Alessandro Scarlatti
und anderen von Vivaldi – unter Enrico Onofri und seinem Palermoer
Ensemble Antonio il Verso.
http://gfhandel.org/handel/worklist/1to42.html#HWV7b Unterschiede in den Besetzungen / Stimmlagen kurzgefasst
Auf Kreuzfahrerseite: die liebliche Almirena (Sandrine Piau) mit einem hier mal etwas bulligeren Rinaldo (Xavier Sabata) und ganz rechts Almirenas Vater Goffredo (Jason Bridges), dem Führer des Kreuzzuges
Auf Sarazenenseite:
Christopher Lowrey als Argante, König von Jerusalem, und
Eve-Maud Hubeaux als dessen Geliebte und Zauberin - Armida, letztere im Übrigen mit einem bezaubernden "S"-Fehler
Eve-Maud Hubeaux als dessen Geliebte und Zauberin - Armida, letztere im Übrigen mit einem bezaubernden "S"-Fehler
Alle Gesangssolisten, 3.v.l. der bezaubernde Bass Tomislav Lavoie als christlicher Zauberer Mago und als 2.v.r. die erwähnte Sopranistin Anastasia Terranova. In der Mitte (5.v.r.) zwar klein, doch musikalisch grandios: Christophe Rousset, im Hintergrund das Kammerorchester Basel
Bilder (c) Stiftung Händel-Haus Halle
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