Händelfestspiele Halle 2018
ORESTE HWV A11
ORESTE HWV A11
Pasticcio von Georg Friedrich Händel
(Deutsche Erstaufführung der Wiener Produktion)
(Deutsche Erstaufführung der Wiener Produktion)
Samstag, 02. Juni 2018 15:00 Theater Bernburg
Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky
Regie: Kay Link
Ausstattung: Olga von Wahl
Licht: Franz Josef Tscheck
Ausstattung: Olga von Wahl
Licht: Franz Josef Tscheck
Solisten:
Ray Chenez (Oreste)
Viktorija Bakan (Ermione)
Carolina Lippo (Ifigenia)
Julian Henao Gonzalez (Pilade)
Matteo Loi (Toante)
Florian Köfler (Filotete)
Gabriel Scheib (Un guardino)
Viktorija Bakan (Ermione)
Carolina Lippo (Ifigenia)
Julian Henao Gonzalez (Pilade)
Matteo Loi (Toante)
Florian Köfler (Filotete)
Gabriel Scheib (Un guardino)
Bach Consort Wien
Produktion des Theaters an der Wien in der Kammeroper
Aufführung in der italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln nach der Hallischen Händel-Ausgabe
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
Es ist nun schon seit einiger Zeit ein dankbar aufgenommenes und verdientes Anliegen der Halleschen Händelfestspiele, auch selten bis nie eingespielte Musik Händels dem Publikum hörbar zu machen. Die Rede ist von Händels sogenannten Opern-Pasticcios, also jenen „Pasteten“ (so der Originalbegriff auf Deutsch) oder „Best-of-Zusammenstellungen“ eigener oder fremder Musik. Diese Pasticcios wurden lange, da sie als scheinbar nicht so herausgehobene und v.a. nicht originäre künstlerische Leistungen betrachtet worden, vernachlässigt, doch jetzt endlich gibt es Ensembles, die sich ihnen widmen.
Bei den Händelfestspielen 2018 gibt es gleich 3 davon.
Eine davon ist Händels „Oreste“, der den bekannten Iphigenie-Stoff aufgreift und hier den männlichen Titelhelden ins Zentrum stellt. Das Werk wurde in den 1980ern von der Halleschen Händel-Ausgabe bearbeitet und herausgebracht und dann erstmals bei den Händelfestspielen 1988 aufgeführt. 2002 nahm sich George Petrou mit einem beeindruckenden Cast des Pasticcios an und brachte bei MDG eine Referenzeinspielung heraus. Auch die Komische Oper in Berlin hat den Oreste inzwischen schon einmal inszeniert. Eine weitere Inszenierung mit Charlotte Hellekant als Oreste und Valentina Farcas als seine Gattin Ermione ist auf DVD erhältlich.
Nun präsentierte sich im Rahmen der Händel-Festspiele 2018 das Junge Ensemble des Theaters an der Wien und das Bach Consort Wien mit eben dieser Oper im Carl-Maria-von-Weber-Theater in Bernburg, womit das Hallesche Händelfest seine Bestrebungen, Händels Musik in die Lande zu tragen und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit anderen Theatern in Sachsen-Anhalt fortsetzt. Das Theater in Bernburg ist eines der wenigen erhaltenen klassizistischen Theater in Bernburg und bietet somit ein nettes, historisch anmutendes Ambiente für eine Opernaufführung Händels. Auch ist Bernburg ein nettes kleines Städtchen mit vielen ansprechenden Häuschen und Villen.
In der Ankündigung war zu lesen, dass das Junge Ensemble des TadW sich diesem Stoff „musikalisch packend und szenisch höchst interessant“ widme. Letzteres würde ich unterschreiben, ersteres weniger. Im Gegenteil: zuweilen kam es aus dem Orchestergraben ziemlich behäbig daher. Was die szenische Umsetzung angeht: ja, sie war in der Tat interessant. Aus zwei Gründen: doch dazu mehr unten.
Worum geht es in Oreste: Auf einer Insel (Taurus, die heutige Krim) hat sich ein tyrannischer Machthaber – Toante mit Namen – verschanzt, da ihm vom Orakel geweissagt wurde, dass er von einem Fremden namens Orest getötet werden würde. Da er dieses Orakel fürchtet, hat er den Befehl herausgegeben, dass alle auf der Insel anlandenden Fremden (zumindest Männer) getötet werden. Verkleidet wird das als Opfer für die Götter, aber eigentlich ist es Mord. Mit der Ermordung und Opferung beauftragt ist Ifigenia, die aus der griechischen Sagenwelt bekannte Iphigenie. Als Tochter des Königs Agamemnon sollte sie als Kind auf dessen Geheiß selbst geopfert werden und wurde lediglich durch die Göttin selbst gerettet, da diese das Opfer nicht annehmen wollte. Seitdem lebt sie auf der Insel Taurus und erfüllt als Priesterin den Herrscherwillens des tyrannischen Machthabers und tötet seither in regelmäßigen Abständen Männer.
Dann kommt es wie es kommen sollte und auch der Bruder Iphigenias, eben jener dem Toante geweissagte Orest landet just auf Taurus an, da ihm, ebenfalls vom Orakel, geweissagt wurde, dass er auf Taurus seine Erlösung finden werde. Es landen in der Folge des Weiteren noch Orests Frau Ermione und sein bester Freund Pylade an. In Erstere verliebt sich der Tyrann Toante und Pylade will sich in der Folge als guter Freund, der er ist, als Orest ausgeben, um diesen von der fälligen Hinrichtung zu retten.
In einem Bemühen, die Handlung mit aktuellem Bezug umzusetzen hatte man zum Einen die Idee, die Insel dadurch zu kennzeichnen, dass am Anfang tosende Meereswellen auf die Leinwand geworfen werden, bevor sich als Kulisse ein an die Nazi-U-Boot-Bunker an der französischen Westküste erinnernder Bau auftut, in dessen Gefilden ein U-Boot schräg aus der See sticht, in das sich der Machthaber der Insel in seiner Angst förmlich verschanzt. Auch hat man ihm einen wirren Blick und massive Augenringe versetzt, um so nahezulegen, an was für einem schweren psychischen Erbe der Machthaber selbst zu tragen hat. Er ist eigentlich selbst ein Getriebener.
Das Zweite, das die Inszenierung interessant macht, ist die Änderung des Endes. In Händels Pasticcio tötet Oreste in der Tat den alten Tyrannen und ruft sich zum Herrscher der Insel aus und verspricht allen ein besseres Leben. Im Regiekonzept von Kay Link nun kann ein auf Mord sich begründender guter Staat kein guter Staat oder kein guter Neuanfang sein und so lässt er sowohl Pylade als auch Orests Schwester auf absoluten Abstand zu Orest gehen: Ifigenia flüchtet von der Insel und Pylade bringt sich gar um (womit die Oper endet). Aber auch Orests Frau Ermione ist nicht wirklich glücklich, ihre gesamte Gestik und Mimik spricht Bände: auch sie, die die ganze Zeit dafür gekämpft hat, Orest zu retten, würde am liebsten von ihm gehen, da er seine Hände ebenso mit Blut befleckt hat wie der alte Tyrann.
Den Titelhelden singt der noch junge Countertenor Ray Chenez, der bei den nächsten Händelfestspielen in Halle 2019 gleich mehrmals wiederauftreten wird. Sein klarer Sopran ist lieblich anzuhören und verspricht noch einiges.
Das absolute stimmliche Highlight des fast dreistündigen Opernerlebnisses indes waren die Damen, insbesondere die Sopranistin Viktorija Bakan aus Litauen, die seit einigen Jahren ebenfalls zum Jungen Ensemble des TadW gehört. Ihr Sopran ist einfach Wahnsinn! Wirklich.
Auch Ifigenia überzeugt stimmlich voll. Das Einzige, das der Rezensent nicht bestätigen mag, ist, dass die Umsetzung musikalisch packend war. Dazu fehlte einfach die entsprechende Unterstützung und wohl durchdachte Würze aus dem Orchestergraben.
Dirk Carius
Das U-Boot im Bunker von La Rochelle - hier drin verbarrikadiert sich der angstgeplagte Toante - Tyrann der Insel Taurus (Krim) in dieser Oper.
Iphigenie als Hohe und Opferpriesterin becirct den sie liebenden General der Streitkräfte des Tyrannen Filotete. Dieser verspricht ihr, ihren Bruder Orest, sollte er jemals auf der Insel anlanden zu beschützen. Das tut er dann auch und stellt sich gegen seinen Herrscher.
Iphigenia im Opfer- oder sollte man lieber sagen Schlächtergewand
Fotos: Herwig Prammer
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