Freitag, 6. Juli 2018

Händel-Festspiele Halle 2018 Solistenkonzerte 1: Die diesjährige Händelpreisträgerin Joyce Didonato begeistert das Hallenser Publikum und bringt den Händelfestspielen einen bedeutenden Internationalisierungsschub.

Händelfestspiele Halle 2018

Festkonzert mit Joyce DiDonato 

Programm: "War & Peace"
Händelpreisträgerin 2018
 

Il Pomo d'Oro
Musikalische Leitung: Maxim Emilyanichev

Samstag 19.05.2018 Halle, Georg-Friedrich-Händel-Halle

In diesem Jahr wurde eine Künstlerin mit dem Halleschen Händelpreis ausgezeichnet, die diese Ehrung schon lange verdient hätte - und die Barockfans schon sehr lange bekannt und bei vielen geliebt wenn nicht gar verehrt ist: Joyce DiDonato. Unvergessen ist ihre Mitwirkung in dem Händel ehrenden Film aus dem Jahre 2009. Und selbstverständlich hat sie in großartigen Soloalben bewiesen, wie großartig sie ist.
Sicher ist auch maßgeblich ihr, die regelmäßig an der MET in New York singt oder gar die Saison eröffnet, mit zu verdanken, dass an diesem altehrwürdigen Haus, das für vieles, aber nicht so sehr für Barockpflege bekannt ist, nun schon einige Barockopern zu sehen waren und dass im Jahre 2011 ein in heutiger Zeit die barocke Kunst des Pasticcios, des Zusammenwürfelns verschiedener Erfolgsnummern, sei es nur eines Komponisten oder von unterschiedlichen Schöpfern wiederaufgegriffen wurde und mit "The Enchanted Island" eine völlig neue, unbekannte Barockoper, mit aber vielen bekannten Nummern, speziell für die MET geschrieben und zusammengestellt und an selbiger aufgeführt wurde.

Inzwischen hat Joyce DiDonato einen riesigen Fankreis weltweit, natürlich zunächst und sicher am größten in ihren heimischen Gefilden, aber auch europaweit. Im Übrigen auch einen Fankreis, der in nicht geringer Zahl ihr regelrecht hinterher reist. Einer ihrer größten Fans ist die für die Förderung zahlreicher Barockprojekte bekannte amerikanische, in Italien lebende Krimiautorin Donna Leon. Sie hat insbesondere das jahrelang weithin bekannte und CD-editorisch aktivste Orchester, das ihr Landsmann und wie sie Wahlitaliener Alan Curtis begründet und über Jahrzehnte geleitet hat, gefördert: Il Complesso Barocco. Aus diesem ging vor einigen Jahren mit neuer künstlerischer Leitung durch den Dirigenten und versierten MultiInstrumentalisten Maxim Emilyanichev (auf Deutsch sollte man besser Emiljanitschew schreiben) hervor: Il Pomo d'Oro, eines der agilsten und stilsichersten und zugleich forschesten Orchester im Bereich der aktuellen Musik heute. Letzteres nun war nun auch das Orchester, das das neue Programm der amerikanischen Ausnahmemezzosopranistin Joyce DiDonato begleitet.

Da kamen also mehrere Gründe zusammen für Donna Leon, auch dieses neue Projekt einer geachteten und verehrten Händelinterpretin und eines von ihr lange Jahre schon begleiteten Orchesters zu fördern. Und das bedeutet auch, beide auf ihrer Tour durch Europa zu begleiten. So war denn Donna Leon in den letzten Monaten mehrfach in Deutschland und Europa - und nun also auch in Halle zum Festkonzert mit Joyce DiDonato. Mit der Schriftstellerin nun wieder mag auch noch ein Teil Fans angereist sein.

Jedenfalls hat das Händelfestival in Halle durch den das Festkonzert mit Joyce DiDonato einen bedeutenden Internationalisierungsschub erfahren und ist vielen amerikanischen und anderen Fans weltweit in den Fokus gerückt worden. Die Händelhalle in Halle war jedenfalls diesmal voller internationalen Stimmengewirrs, allen voran eine nicht mehr zu überhörende große Besucherschar von über den großen Teich und aus England.

Allein dafür ist den Händelfestspielen nur zu gratulieren und ist Joyce DiDonato zu danken, dass sie hier in Halle Station gemacht hat.

Was das neue Programm "War & Peace" - Krieg und Frieden - angeht, so ist dieses von Anbeginn gehypet worden, ist seine Uraufführung im Teatro de Liceu in Barcelona live von Arte und möglicherweise anderen Sendern übertragen worden, sind zeitnah sowohl eine CD als auch eine DVD des Programms auf den Markt geworfen worden - und begann die Tour durch ganz Europa. Für Selbiges hat sich Joyce DiDonato einen Regisseur, einen Videokünstler, einen Tänzer sowie insbesondere auch eine Designerin für ihre Festkonzertkleider hinzugeholt und diese aus der ganzen Welt um sich versammelt. Herauskommen sollte ein Gesamtkunstwerk. Also dass die Künstlerin nicht nur vor ihrem Orchester steht und singt und vielleicht noch ein bisschen post, sondern dass das Ganze auch in ein Konzert aus Licht und Videohintergrund und -kulisse eingetaucht ist, sich in geplanten Bewegungen über die Bühne bewegt usw.

Und an dieser Staffage scheiden sich die Geister. Die Einen sind begeistert und sehen sowohl in den sich ineinander verkreiselnden Kreisen, die sowohl Friedens- wie auch Kriegs- und Rachearien untermalen als auch in den für die meisten nicht aufgehenden Spaziergängen, Posen und zuweilen kurzen Tanzpassagen des - dabei sehr ansehnlichen - Tänzers aus Argentinien einen tieferen Sinn bzw. in ihnen geht durch diese Installationen ein Kopfkino auf. Für die Anderen erschließt sich weder der Sinn des Einen noch des Anderen und ist auch nicht begreiflich, warum sich die Kleider für Krieg und Frieden nicht wesentlicher unterscheiden als durch das unterschiedliche Tragen der Stola, einmal über den Kopf wie bei einem Flüchtling und einmal offen über den Hals gelegt, aber die Farbgebung ist nicht wirklich unterschiedlich.

Der Rezensent gehört definitiv zur letztgenannten Fraktion. Ihm hat sich schon in der Liveübertragung auf Arte der Sinn des gesamten Beiwerks nicht erschlossen, er tat es auch jetzt nicht, wo der die gesamte Perspektive vor sich hatte. Ein Gespräch, das der Rezensent mit Donna Leon führen konnte, machte klar, dass diese von der gesamten Produktion super begeistert war. Nun ja: Kunst ist eben immer noch ein sehr individuelles Erlebnis und Ereignis.

Eine zweite Sache hat sich dem Rezensenten auch nicht erschlossen und ihn sogar verärgert: sei es wegen eines Regiekonzepts, sei es aus Zeitmangel, sei es aus anderen Gründen, Joyce Didonato, die so wunderbar kolorieren kann und gleichzeitig A'-Teile hingeschmettert hat in früheren CD-Aufnahmen und Konzerten verzichtet in ihrem neuen Programm bei diversen Arien darauf, diese auszusingen und so entgeht den Zuschauern und Zuhörern ein sehr großer und wichtiger Teil ihrer Kunst und dessen, was der eigentliche Grund ist für die diversen Auszeichnungen und Lobesgesänge, die DiDonato in aller Welt erfahren hat. So wie eben jetzt auch den Händelpreis der Stadt Halle verliehen durch die Stiftung Händel-Haus im Rahmen der diesjährigen Händelfestspiele und eben am Ende des hier besprochenen Festkonzerts.

Es bleibt das große und ihr nicht zu vergessende Verdienst durch ihr Konzert in Halle die hiesigen Händelfestspiele ins Bewusstsein eines größeren internationalen Publikums gerückt sind. Ein solcher Zugewinn ist den in ihrer ganzen Bandbreite und ihrem gesamten Facettenreichtum noch immer nur unzureichend gewürdigten Händelfestspiele in Halle. 

Dirk Carius


Foto: (c) Brooke Shaden

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